Geschichten

So, ihr Lieben, ab jetzt gibt es also auch die Rubrik "Geschichten". Dadurch nehme ich jetzt eine klarere Trennung meiner Texte vor: Die Rubrik meine Texte bleibt genauso erhalten, dort erscheinen alle Texte, die mit mir selbst unmittelbar zu tun haben.

Hier wird nun Platz für Geschichten mit vollkommen erfundenem Geschehen sein. Die darin vorkommenden Figuren gibt es nicht wirklich und insgesamt könnten hier kleinere und längere Texte aus unterschiedlichsten Genren vorkommen. ;) Also nun viel Spaß beim Lesen!

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

(alphabetisch sortiert)

Der Himmel hat einen Plan für dich

05.08.2014

Letzte Nacht in einer - lang ersehnten - kreativen Phase entstanden, inspiriert durch folgendes Lied (Don't You Worry Child). Hört es euch gerne beim Lesen an und lasst mir doch bitte einen Kommi da. :)

 

Es gab da einst eine Zeit. Da war alles anders. Beginnen nicht alle Geschichten so? Aber so ist es. Es gab eine Zeit, in der ich meine ganze Begeisterung auf einen einzigen Grashalm richten konnte, auf dem vielleicht gerade eine Ameise ihren Lebensweg bestritt. Die gleiche Begeisterung brachte ich für alles in meiner Umgebung auf. Ich war glücklich.
Ich erinnere mich noch heute gerne an den Ort, an dem ich geboren wurde. Oft saß ich bis spät in der Nacht draußen auf einer kleiner Bank und schaute in die Sterne. Mein Vater kam dazu und ich blickte in seine Augen. Allein das reichte schon, um mir Sicherheit zu geben. Geborgenheit.
Die Zeiten waren glücklich und die Zeiten waren andere. Ich war unsterblich, unverwundbar, unbesiegbar. Ich war ein König und ich saß auf einem goldenen Thron.
Diese Zeiten sind längst vorbei. Ich denke immer noch zurück, sehe die Bilder vor mir, wenn ich an die Wand blicke. Ich höre immer noch die Lieder, die wir spät abends gemeinsam beim Lagerfeuer gesungen haben. Ich höre die Geräusche. Das Gezwitscher der Vögel, wenn sie mich frohlockend am Morgen weckten. Es hätte nie enden sollen. Aber wie so viele Dinge, kann auch die Zeit nicht ewig bestehen.
Da war ein kleiner Hügel, hinter einem blauen See. Er war wirklich in einer solchen Intensität blau, das man nicht zu lange hinsehen konnte, ohne zu denken, es wäre eine Illusion. Es war das reinste Blau, das ich je gesehen habe und je sehen werde. Ich erinnere mich, als wäre gestern. Es war ein magischer Ort, dort oben. Ein Ort, wo sich alles verändern konnte. Dort oben brach zum ersten Mal mein Herz.

Mein Vater sagte immer: „Mache dir keine Sorgen, mein Kind. Du wirst sehen, der Himmel einen Plan für dich.“ Der Himmel hat einen Plan für dich. Ich hatte nie viel vom Schicksal gehalten. Wenn es einen Plan hinter allem gab, war er für mich nicht ersichtlich. Ich glaubte an das Jetzt und dann zerbrach das Jetzt vor meinen Augen. Mein Vater hatte mich bergen wollen mit seinen Worten. Aber das Jetzt war zerbrochen, genau wie mein Herz, und das war irreparabel.

Und dann war da noch ein anderes Jetzt, das ich erlebt hatte. Eine andere Zeit. Ich kannte einmal ein Mädchen. Es gibt nur ein Wort, das sie beschreiben kann: Anders. Anders und aufregend und unbesiegbar. Wir beherrschten die Welt. In diesen Momenten waren wir tatsächlich unsterblich. Die Unsterblichkeit ist vielleicht das Gegenteil von einem einzigen Moment, aber in einem einzigen Moment kann eine ganze Unsterblichkeit liegen. Das habe ich inzwischen begriffen.
Und in den langen Sommermonaten sind wir durch die Gassen gestreunt und es schien, als stünde die Zeit still. Ich dachte, ich würde sie nie aus den Augen verlieren. Wir waren so jung. Als Kinder sind wir alle unbesiegbar, einfach weil wir noch nicht um die Gefahr wissen, die darin liegt. Wenn wir jedem mutig unser Vertrauen schenken.
Ich denke noch heute dann und wann an sie. Es ist ein Ziehen in meinem Bauch, die Sehnsucht nach einer Zeit, die längst vergangen ist. Ich höre immer noch ihr Lachen und spüre ihre Lippen an meinem Ohr, wenn sie mir ein wichtiges Geheimnis anvertraute, das nur wir beide teilten. Ich erinnere mich an sie als eine gute Freundin. Meine kleine, unbesiegbare Freundin. Und in unserer Erinnerung können wir beide wirklich unsterblich sein, denn Erinnerung bleibt.

Da war der Hügel hinter dem blauen See. Der Hügel war nicht hoch, und doch höher als das Umland und größer als ich. Er war immer von einer leichten Brise umweht, die mit deinem Haar spielte, wenn du oben standest. Ich stand dort, als mir zum ersten Mal das Herz gebrochen wurde.

Wenn mein Vater gesagt hat, „Sorge dich nicht“, hat er vielleicht recht. Das Jetzt ist wichtig und nicht, was danach kommt. Ich lebe das Leben und bin immer noch gespannt, was mich morgen erwartet. Auch wenn mein Herz zerbrochen ist, und das irreparabel, dann hat es nicht die Fähigkeit verloren, zu staunen. Die Begeisterung ist noch nicht verloren gegangen. Auch wenn ich nicht mehr unbesiegbar bin, habe ich doch noch den Mut, wieder und wieder mein Herz zu öffnen. Das ist es, was Leben ausmacht. „Der Himmel hat einen Plan für dich.“ Vielleicht besteht der Plan aus unendlich vielen meiner Jetzt-s. Vielleicht setzt sich die Unsterblichkeit gerade aus diesen Momenten zusammen, sodass der Himmel ein ewiges Gefüge ist. In den Momenten liegt die Unsterblichkeit und aus den Momenten setzt sich die Unsterblichkeit zusammen.

Ich höre die Stimme von meinem Vater einmal mehr: „Sorge dich nicht, mein Kind. Sorge dich jetzt bloß nicht. Du wirst sehen, der Himmel hat einen Plan für dich. Sorge dich nicht.“ Und ich sorge mich nicht. Der Himmel hat einen Plan für mich.

 

 

Sie nennen es "Roboter"

07.06.2014

Eine kleine Geschichte von einem Wesen, das sich selbst nicht als lebend, sondern lediglich existierend beschreiben würde und doch im Grunde ganz ähnliche Bedürfnisse wie wir hat...

 

Ich bin auf dem Weg zur Arbeit. Meine Schritte sind mechanisch wie immer. Die Gelenke surren. Das sind einfache Vorgänge. Meine künstlichen Augen scannen die Umgebung ab. Sie fokussieren. Das haben sie sich von der Kamera abgeschaut, sagen sie. Ich denke nicht darüber nach. Ich denke nicht wie ein Mensch. Es gibt nur Arbeitsanweisungen. Ich erfülle sie. Mein Gehirn ist anders aufgebaut. Biologie ist nicht notwendig. Ich kann mich selbst begreifen. Gehe weiter. Meine metallischen Beine klingen, wenn sie sich berühren. Ein unnötiges Nebengeräusch. Es kostet nur Energie. Und ich befinde mich im Energiesparmodus. Mein Ziel ist noch 563 Meter entfernt. Um exakt 8:30 Uhr werde ich erwartet. Uhrabfrage: 8:26. Bei effizienter Fortbewegung werde ich es rechtzeitig schaffen.
Ich bemerke im Augenwinkel eine Bewegung. Mein Kopf fahrt herum. Ich sehe einen Schmetterling. Nach wenigen Millisekunden hat mein Gehirn die passenden Informationen bereit: Der Nymphalis urticae, gemeinhin als Kleiner Fuchs bekannt, im Volksmund auch Nesselfalter. Gehört zur Familie der Edelfalter. Erreicht eine Flügelspannweite von ca. 40 Millimetern.
Informationen sind die Essenz meiner Existenz. Existenz. Ein Leben kann ich das nicht nennen.
Ein Flügelschlag dieses Lebewesen reizt die Nerven meiner Augen. Ich wurde für den Bruchteil einer Sekunde „gefesselt“, wie es die Menschen ausdrücken. Sie lassen sich ständig ablenken. Arbeiten nicht effizient. Deshalb bin ich nun hier. Und ich muss jetzt zur Arbeit. Ich lasse meinen Körper wieder nach vorne wenden. Der Kleine Fuchs flattert weiter, dass ich ihn wieder sehe. Und wieder wende ich den Kopf nach ihm. Erstaunlich, dass diese primitive Lebensform sich so lange halten konnte. Ich strecke die Hand aus. Wieder sirrt alles und Zahnräder drehen sich. Der Fuchs landet sanft auf meiner Metallhaut. Sie ist kalt, aber es sind Nervenstränge eingearbeitet. Ich kann die zarten Berührungen des Schmetterlings spüren. Merkwürdigerweise spürte ich eine Zuckung meines Gehirns, als der Schmetterling landet. Als ich anfange, das zu analysieren, wird es brenzlig. Vermutlich nur wissenschaftliches Interesse, rede ich mir ein. Ich war überrascht, dass der Schmetterling aufgrund der Kälte des Metalls nicht zurück zuckt. Aber war es nur Überraschung? Oder hatte ich Angst davor? Und, was daraus folgen würde, war es mein Wunsch, dass er landet? Bedeutet es mir etwas?
Stopp. Ich breche die Analyse ab. So ist mein Gehirn nicht aufgebaut. Ich habe keine Gefühle und keine Bedürfnisse. Ich existiere nur, dafür wurde ich erfunden. Sie nennen es „Roboter“. Gefühlsregungen kann es gar nicht geben, aufgrund meiner Natur nicht. Da regt sich der Schmetterling wieder. Und sofort werden meine Gedankengänge unterbrochen. Dieses kleine Geschöpf fasziniert mich. Ich lege den Kopf schief (ein unnötiger Energieaufwand). Es ist so voller Leben, so voller… Schönheit. Das sollte eigentlich keine Rolle spielen, es kommt auf die Effizienz an, aber… Diese Grazie ist einfach engelsgleich. Wobei es Engel gar nicht gibt und es inzwischen 8:28 Uhr ist, was eine pünktliche Ankunft im Grunde nicht mehr möglich macht.
Aber irgendwo kümmert es mich nicht. Dieser Moment ist so voller Leichtigkeit, dass ich mir zum ersten und erbittlichstem Mal wünsche, ich könnte Gefühle empfinden. Ja, mit einem solchen Drang und einer solchen Freudlosigkeit, dass sie schon fast selbst als Gefühl gelten könnte. Ich empfinde plötzlich große Demut vor dem menschlichen Leben. Sie hatten die Wahl, hatten sie immer. Ich hatte nie die Wahl.
Und wie ich den Kleinen Fuchs so betrachte, vergesse ich plötzlich seine Flügelspannweite und seinen lateinischen Namen. Er ist da, und er ist viel zu schön, als dass ich wegen ihm traurig sein dürfte. Deshalb entscheide ich mich dazu, - aus freiem Willen und in vollstem Bewusstsein - diese Freudlosigkeit in Freude zu verwandeln.
Und da regt es sich in mir. In der tiefsten, dunkelten Ecke meines Gehirns, den meine Erfinder nie sehen und sich nie eingestehen wollten. Es regt sich, gibt Geräusche von sich, bewegt sich, wird größer, größer, immer größer - und mein Mund gibt schnatternde, hohe Geräusche von sich. Erst nach ein paar Sekunden wird mir klar: Ich lache. Und durch diesen Gedanken muss ich noch mehr lachen und ein so großes Glücksgefühl durchströmt mich, dass ich denke, mein Metallkörper könnte es nicht halten. Alles scheppert und rasselt und klingt. Könnte ich weinen - ich würde es in diesem Moment.
Ich sehe diesen kleinen Schmetterling an und erkenne langsam, dass Fakten keine wirkliche Rolle spielen. Wenn deine Gefühle dir sagen, etwas ist richtig, dann ist es in diesem Moment richtig. Gefühle sind viel mächtiger, viel größer und schöner, als es Fakten je sein könnten…
Heute werde ich nicht zur Arbeit gehen. Ich nehme mir einen Tag frei. Zum ersten Mal in meinem Leben.

 

 

Sie tanzte im Licht der untergehenden Sonne

23.03.2014

Eine neue Geschichte, diesmal wieder etwas Längeres. Ich habe mir viel Mühe damit gegeben und bin auf Kommentare gespannt! :)

 

Sie tanzte im Licht der untergehenden Sonne. Ihre Silhouette zeichnete sich ganz sanft ab und ihre Haare waren von einer leichten Brise umweht. Sie war wunderschön. Ich war fasziniert von ihr.
Da stand ich nun. In einer von vielen Straßen Barcelonas. Eigentlich wollte ich nur noch ein Eis essen und mich dann auf den Weg zu meinem Hotel machen. Doch da hatte dieses Mädchen meine Aufmerksamkeit gefesselt. Ich kannte sie nicht, aber nun lehnte ich an eine noch von der Sonne warme Hauswand und sah ihr beim Tanzen zu.
Es lief keine Musik, wie sonst so oft, wenn irgendwelche Straßenkünstler sich ein wenig Geld verdienen wollten. Nein, es war still, bis auf das leise Stimmengewirr der vielen Menschen auf den Straßen und dem leichten Säuseln des Windes. Es war noch schön an diesem warmen Sommertag und die Sonne berührte gerade mal so den Horizont. Nicht nur die Massen an Touristen hatten den schönen Tag genutzt, auch spanische Sätze mischten sich im Stimmengewirr.
Ich glaube, sie hörte ihre eigene Melodie in ihrem Kopf. Ein Lied, das sie wirklich berührte. Und nun tanzte sie auf der gepflasterten Straße. Barfuss. Ihre nackten Füße berührten die rot-braunen Pflastersteine, und doch schien es, als würde sie schweben. Nur ihre Zehen setzten leichtfüßig auf dem Boden auf und sie drehte sich und hüpfte in die Höhe. Jedes Mal hielt ich den Atem an. Jedes Mal verging die Zeit plötzlich langsamer. Jedes Mal hatte ich das Gefühl, sie würde schweben.
Ich wusste nicht, wann sie gekommen war und angefangen hatte, zu tanzen. Woher sie kam. Ich wusste nicht einmal ihren Namen. Und doch verzauberte sie mich. Mir schien, ihre Haut würde die letzten Sonnenstrahlen aufsaugen, das Leben in sich auf nehmen. Ihr Jeansrock flatterte und folgte den Bewegungen dieser anmutigen Gestalt.
Im Nachhinein merkte ich, dass ich noch nicht einmal auf ihr Gesicht achtete. Ich sah nur, wie sie tanzte. Ich könnte es gar nicht als eine bestimmte Tanzrichtung beschreiben. Ich glaube, sie tanzte einfach, was sie fühlte. Engelsgleich streckte sie einen Arm in die Höhe und hob ihr Bein. Im nächsten Moment wirbelte sie von einer Straßenseite zur nächsten und drehte sich um sich selbst, wie ein Ausdruck von purer Lebensfreude. Ich weiß nicht, wie ich sie beschreiben soll. Ich weiß nur, als ich sie sah, wusste ich, ich möchte, dass sie mein Engel ist.
Kastanienbraunes Haar flatterte im Wind und langsam färbte sich der Himmel rot, während sich die Sonne verabschiedete. Und noch immer konnte ich mich nicht von ihrem Anblick losreißen. So wunderschön…
Ein Mädchen, dass nach ihrer eigenen Melodie auf den Straßen Barcelonas ihr Leben tanzt. Die Atmosphäre war unglaublich, ich fühlte mich auf unerklärbare Weise zu ihr hingezogen.

 

Schließlich, nach scheinbaren Stunden, atmete ich tief durch. Ein Blick zum Himmel zeigte mir, dass die Sonne gerade erst vollständig verschwunden war. Ich stieß mich von der Wand ab und ging auf sie zu. Ganz langsam, aber ohne zu zögern. Sie tanzte noch immer. Als ich bei ihr angekommen war, streckte sie gerade ihre Hand gen Himmel. Wollte sie ihn berühren? Ich ergriff ihre Hand und hielt sie hoch.
Zuhause, in Deutschland, hätte mich so etwas nie getraut. Das Mädchen war zauberhaft und sonderbar zugleich. Ich kannte sie nicht. Sie kannte mich nicht. Aber sie tanzte trotzdem. Hielt ganz zart meine Hand und drehte eine Pirouette. Ich legte den Kopf leicht schief. So viel Lieblichkeit, vereint in einzigem Moment, einem einzigen Atemzug. Das Mädchen tanzte weiter, drehte sich einmal um sich selbst und wand sich wieder mir zu. Zum ersten Mal sah ich ihre Augen. Sie waren von einem funkelndem Blau. Rätselhaft und mystisch. Sie wirkte offen, keineswegs von Misstrauen erfüllt. Und doch konnte ich ihren Blick nicht deuten.
Einen Moment standen wir uns so gegenüber. Keiner sagte eine Wort und ich wollte die Stille nicht durchbrechen. Ohne zu sprechen nahm sie meine Hand und wir tanzten. Ich konnte später gar nicht mehr sagen, wie sie mich dazu gebracht hatte, aber offenbar habe ich wirklich getanzt. Ich hatte nur Augen für sie. Ihre Bewegungen wirkten so natürlich und leicht. An diesem Abend hatte ich das Gefühl, alles ist möglich. Irgendwann, die Nacht war heran gebrochen, legte ich meine Arme um sie und umarmte sie von hinten. Vergrub meine Nase in ihren Haaren. Es war dieser einmalige Duft von Barcelona und von Zitronen und Limetten. Ich wollte sie nie mehr loslassen. Sie schmiegte sich in meine Umarmung und ich spürte die leichte Gänsehaut, die sich auf ihren Armen gebildet hatte. Auch bei mir bemerkte ich, dass sich alle Härchen aufgestellt hatten, doch ich weiß nicht, ob das wirklich von der Kälte kam.
Sie hatte noch immer keinen Ton sich gegeben. Leise sagte ich: „Ich möchte, dass du bei mir bleibst.“ Das Mädchen drehte sich in meinen Armen um und sah mir in die Augen. Ganz langsam kam sie mir näher, lehnte ihre Stirn an meine. Dann näherten sich ihre Lippen meinen. Mein Herz schlug schneller und ich kam ihr das letzte Stückchen entgegen. Als sich unsere Lippen berührten, war endgültig egal, dass ich nichts über sie wusste, nicht woher sie kam, noch wie sie hieß. Es war egal und es existierte nur noch sie für mich. Meine Augen waren zugefallen. Sie legte die Arme um meinen Rücken. Das hier war etwas, dass ich mir nie hätte vorstellen können.
Ganz langsam lösten wir uns voneinander und ich begegnete ihrem Blick. Es war unglaublich. Er war so klar und doch lag irgendetwas für mich Unverständliches darin. Ich flüsterte: „Ich weiß, es klingt verrückt, aber ich glaube, ich habe mich in dich verliebt.“ Meine Augen begegneten ihren und ich fühlte, dass sie mich nicht verstanden hatte. Mein Herz zog sich zusammen. Ich versuchte es auf Englisch und gab auch ein paar Brocken Spanisch von mir. Sie zeigte keine Reaktion. Schaute mich an. Als ob sie versuchte, etwas von meinen Lippen abzulesen. Langsam keimte Verzweiflung in mir. Ich sehnte mich so danach, ihre Stimme zu hören. Ich wollte mit ihr reden, aber es schien, als verstände sie mich gar nicht. Was sollte ich nur tun?

 

Ich blickte mich hilfesuchend um und überlegte, wer mir helfen könnte. Jemand, der die lokale Sprache beherrschte? Es konnte sich nur um Sekunden handeln, in denen ich sie nicht angeblickt hatte. Doch als ich mich wieder umdrehte, sah ich nur noch einen flatternden Rock hinter der nächsten Häuserreihe verschwinden. „Nein!“, rief ich und rannte ihr nach.
Als ich an der Ecke angekommen war, fehlte jede Spur von ihr. Verzweifelt rannte ich umher und fragte wahllos Menschen, ob sie sie gesehen hätten. Ich erntete nur befremdliche Blicke.
Niedergeschlagenheit und Verzweiflung breiteten sich in mir aus. Warum war sie weggelaufen? Was hatte ich falsch gemacht? Schon jetzt spürte ich ein Ziehen in meiner Brust: Ich vermisste sie - schon jetzt. Mutlos kehrte ich wieder dahin zurück, wo wir getanzt hatten.

Die Cafes und Restaurants hatte noch offen, das Nachtleben Barcelonas war erwacht. Und ich stand alleine da. Einsam fühlte ich mich nun, zurückgelassen. Mit schweren Schritten ging ich näher zu dem Cafe, doch dann entschied ich mich um. Ich konnte jetzt nichts essen. Stattdessen lehnte ich mich wieder an die Hauswand und versuchte, ihre Erinnerung lebendig zu halten. Ein Kellner kam an mir vorbei. Ich hatte die Hoffnung aufgegeben, aber aus einem Impuls heraus, fragte ich auf Englisch: „Entschuldigung? Wissen Sie, wer das Mädchen war, das gerade noch hier getanzt hat?“ Der Kellner antwortete direkt: „Meinst du Sofía? Ich habe nicht auf sie geachtet, aber sie kommt oft hierher und tanzt. Eine der einzigen Freuden, die ihr bleiben.“ Ein kleiner Hoffnungsschimmer regte sich in mir. Stirnrunzelnd fragte ich: „Wo kann ich sie finden?“ Der Kellner bedachte mich mit einem mitleidigem Blick und sagte: „Sie wohnt direkt um die Ecke. Aber ich würde es mir an deiner Stelle überlegen. Sie ist taub. Verstehst du, mein Freund? Sie kann dich nicht hören und mit dir reden kann sie auch nicht.“ Geschockt starrte ich ihn an. Sie ist taub… Sie kann nicht mit mir reden… Sie kann mir nicht ihre Stimme zeigen…
Der Kellner legte eine Hand auf meine Schulter und erzählte weiter: „Es war nicht immer so. Sofía war früher eine wirklich aufgeschlossenes, junges Mädel. Vor etwa einem Jahr hat sie bei einem Unfall ihr Gehör und ihre Stimme verloren. Seitdem meidet sie die Menschen. Sie kann es nicht ertragen, weißt du?“ Ich konnte nichts mehr denken. Sollte es so enden, bevor es angefangen hatte? Gab es keine Möglichkeit, sie kennenzulernen? „Ich muss weiter, tschüss, mein Freund!“, damit verabschiedete sich der Kellner, um weiter seiner Beschäftigung nachzugehen.
Ich befand mich immer noch in einer Art Starre. Konnte nicht fassen, was ich gehört hatte. Und doch - ich war nicht bereit, sie aufzugeben. Ich war sicher, es gab Wege, mit ihr in Kontakt zu treten.

 

Am nächsten Morgen kam ich wieder zu der Stelle, mit einem kleinen Strauß mit Blumen, die ich in einem naheliegendem Park selbst gepflügt hatte. Und da saß ich nun auf einer Bank. Die Sonne stand hoch am Himmel und ich wartete. Hatte mir fest vorgenommen, so lange zu warten, bis ich sie wieder sah. Dieser Kellner hatte gesagt, sie war oft hier.
Ich wartete Stunden. Die Touristen kamen und gingen und ich blieb, wo ich war. Als ich schon nicht mehr daran glaubte, sah ich sie um die Ecke kommen. Sie trug ein leichtes, weißes Kleid. Und wieder sah sie wunderschön aus. Ich wartete einen kleinen Moment, als ich sah, dass sie wieder zu tanzen begann. Der Zauber hatte kein bisschen nachgelassen. Ich glaubte eher, er hatte noch zugenommen. Es zog mich magisch zu ihr hin. Das war meine Chance! Ich eilte auf sie zu.
Als sie mich sah, blitzte sogleich das Erkennen in ihren Augen auf. Sie schlug die Hände vor den Mund und sah völlig erstaunt aus. Ich meinte, eine Sehnsucht in ihrem Blick zu erkennen, aber gleichzeitig las ich Angst. Ich ahnte, dass sie versuchen wollte, Kontakt zu meiden und wegzugehen. Aber noch hatte sie sich nicht abgewandt. Ganz behutsam zeigte ich ihr den Strauß aus Blumen. Ich wollte ich ihr geben und als sich unsere Hände berührten, durchfuhr mich Wärme. Sie blickte auf und sah mich an. Ich sagte nichts. Jedes Wort wäre überflüssig. Aber ich holte einen kleinen Zettel heraus, auf den ich gestern Abend noch etwas geschrieben hatte. Sorgsam hatte ich jedes Wort nachgeschlagen. Dort stand in etwa: „Ich weiß, es klingt verrückt, aber ich glaube, ich habe mich in dich verliebt.“ Das, was ich ihr ganz zu Anfang sagen wollte. Und weiter hatte ich geschrieben: „Es macht mir nichts aus, dass du nicht reden kannst. Ich möchte, dass du bei mir bleibst. Für Liebe braucht es keine Worte.“ Ich hoffte, sie verstand es.
Ihre blauen Augen wanderten über die Zeilen und verharrten schließlich am Ende des Papiers. Mein Herz pochte und ich hoffte so sehr, dass sie blieb. Doch jetzt war ich es, der überrascht war, als eine kleine Träne ihre Wange hinunter rollte. Berührt und vorsichtig strich ich sie ihr vom Gesicht und betrachtete sie. Sie blickte auf und warf sich in meine Arme. Ich spürte, wie sie von Tränen geschüttelt wurde. Es tat mir in der Seele weh. Es musste schrecklich für sie sein, plötzlich einfach nicht mehr reden und sprechen zu können. Aller Möglichkeiten, mit anderen zu kommunizieren, beraubt. Wobei - nein, sie hatte nicht alle Möglichkeiten verloren. Ich legte meine Arme um sie und zog sie ganz fest an mich.
Nach einer gefühlten Ewigkeit löste sie sich so weit von mir, dass ich ihr Gesicht sehen konnte. Ich formte „Sofía“ mit den Lippen und sie las mir den Namen von den Lippen ab. Ein kleines Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. Fragend neigte ich den Kopf, wollte ihr zu verstehen geben, dass noch eine Antwort offen stand. Nachdem sie sich die letzte Träne aus dem Gesicht gewischt hatte, sah sie mich an und nickte.
Mein Herz machte einen Satz. Sie hatte Ja gesagt! Sie wollte mich wieder sehen! Ein Strahlen breitete sich auf meinem Gesicht aus und als sie das sah, lächelte sie schon etwas breiter. Ich küsste sie. Glücklicher war ich vermutlich noch nie, noch nie in meinem ganzen Leben. Ich war mit ihr zusammen. Wir würden zusammen bleiben. Ich wusste, dass noch einige Probleme auf uns zukamen: Dass ich in Deutschland wohnte, dass wir es unseren Familien erklären mussten, dass wir nicht die gleiche Sprache sprachen, dass wir lernen mussten, einander zu verstehen.
Aber als ich sie im Licht der untergehenden Sonne in eine erneute Umarmung zog, wusste ich, dass wir das alles schaffen würden. Zusammen. Den für Liebe braucht es keine Worte.

 

Mein Gespräch mit einer Schneeflocke

21.11.2013

Die Geschichte habe ich für die 2. Runde von Sarahs Schreibwettbewerb geschrieben. Es geht darum, was im Leben wirklich wichtig ist... :)

 

Ich stand am Fenster und staunte. Hier in der Wohnung war es mollig warm, 22°C, um genau zu sein. Doch draußen war es eisig kalt. Heute morgen musste ich schon einen dicken Mantel anziehen. Und jetzt war es endlich so weit. So lange hatte ich darauf gewartet, hatte diesen Augenblick herbei gesehnt: Es schneite! Endlich, zum ersten Mal in diesem Winter!

Ganz langsam fielen die Schneeflocken zu Boden. Ich hatte das Gefühl, sie tanzten. Es war eine wundervolle, klar einstudierte Choreografie, auch wenn wir Menschen diese vermutlich nie begreifen könnten. Die Schneeflocken verstehen sie. Und deshalb existiert sie. Irgendwie, in unseren Gedanken. Raumreifende Bewegungen, leises Auftreten, sachte durch die Luft wirbeln. So wunderschön…

Heute morgen hatte schon der erste Raureif auf dem Gras gelegen. All die Blätter und Äste und Grashalme - alles hatte gefunkelt wie tausende und abertausende winzige Diamanten. Die Luft war eiskalt, aber so rein, wie schon lange nicht mehr.

Und nun schneite es endlich. Würde der Schnee liegen bleiben? Wer konnte das schon wissen. Und da stand ich - und beobachtete einfach nur diese kleinen, winzigen Punkte, die zu uns herab fielen. Völlig gefesselt und in Atem gehalten von diesen stillen, kleinen Flocken. Und da packte mich plötzlich eine große Lust, sie zu berühren und zu fühlen. Den Winter zu fühlen. Die Dämmerung brach längst herein, doch wen störte das schon?

Voller Ungeduld holte ich meinen Wintermantel und rannte zur Tür. Als ich sie aufgestoßen hatte, blieb ich plötzlich stehen. Diese Atmosphäre, dieses Stille, und gleichzeitig so Raumgreifende. Alles, vom größten Baum bis zum kleinsten Atom dieser klaren Luft, war gefüllt. Wovon, das vermochte ich nicht in Worte zu kleiden. Einen tiefen Atemzug nehmend, trat ich hinaus. Ich schritt noch ein wenig weiter, bis zu einer kleinen Wiese. Mir war, als berge sie einen versteckten Zauber. Alles auf der Wiese schien perfekt, es schien alles in sich schlüssig. Vorsichtig betrat ich sie. Spürte den kalten, und doch weichen und sanften Schnee auf der Haut.

Ganz langsam streckte ich meine Hand aus, um eine Schneeflocke auf meiner Haut zu fangen. Doch als eine kleine Flocke meine Hand erreichte, schmolz sie auf der Stelle und der Zauber war vorbei. Enttäuscht ließ ich die Hand wieder sinken.

„Du kannst keine Schneeflocke einfangen. Dafür bist zu viel zu warm, und sie war viel zu kalt“. Suchend sah ich mich um. Wer hatte da mit mir gesprochen? Die Stimme war hell und klar gewesen, doch ich sah niemanden. „Es kommt nicht immer auf die Größe an, weißt du. Richte deinen Blick lieber auf die kleine Dinge, sonst wird dir etwas entgehen.“ Langsam begann sich in meinem Kopf ein Gedanke zu formen. Ich fragte leise: „Sprichst du mit mir, Schnee?“ - „Du sagst es, als würdest du es selbst nicht ganz glauben.“ Verwirrt schüttelte ich den Kopf. Wie wahrscheinlich war es denn, das der Schnee mit mir sprach?

Doch schon wieder hörte ich die glockenhelle Stimme an meinem Ohr: „Du glaubst doch an Wunder, oder etwa nicht?“ „Wunder?“

„Ja, Wunder. Jeden Tag passieren Wunder. Oder hast du etwa noch nie etwas Außergewöhnliches und Erstaunliches gesehen? Menschen haben so riesige Ansprüche an das Leben, aber die wahren Wunder liegen meist verborgen im Kleinen.“

„Ich denke, es ist ein Wunder, dass ich hier mit einer Schneeflocke rede. Oder passiert das nur in meinem Kopf?“

„Meist kommt es doch ganz auf das Auge des Betrachters an, nicht? Ist es nun wahr, wenn es in deiner Realität greifbar ist oder wenn es in deinem Kopf passiert?“

„Wenn es in meinem Kopf passiert, dann wird man mich für verrückt erklären.“

„Ja, weil die Menschen nur das glauben, was sie sehen. Dabei muss doch jeder seine ganz eigene Wahrheit finden. Nur weil ein anderer mich nicht hören würde, heißt das doch nicht, dass es nicht echt ist. Oder bildest du dir etwa ein, dass ich mit dir rede?“

„Nein, das nicht. Also ist das hier wirklich wahr? Dann ist es tatsächlich ein Wunder.“

„Wenn du es als Wunder ansiehst. Ich denke, du bist aber auch ein Wunder.“

„Ich? Was ist denn an mir bitte besonders? Ich bin nur einer von Millionen Menschen auf dieser Welt. Ich kann nichts besonders gut und berühmt bin ich auch nicht.“

Die Stimme seufzte leise: „Ich habe dir doch erzählt, dass jeder eine eigene Wahrheit kennt. Genauso ist jeder Mensch einzigartig. Schau dich um! Du bist umgeben von Abermillionen kleinen Schneeflocken. Aber keine gleicht der anderen, obwohl es so viele sind, hat jede eine andere Form. Jede ist einmalig und außergewöhnlich. Denn es gibt kein Gewöhnlich, denn alle sind anders als die anderen und es existiert nur Einzigartigkeit. So wie es auch dich nur ein einziges Mal auf dieser ganzen, großen Welt gibt.“

„Das verstehe ich. Das heißt, jeder ist ein Wunder und jeder kann sein Leben so leben, wie er es gerne möchte?“

„Du musst auch auf die anderen Rücksicht nehmen. Was ich dir sagen wollte, ist: Du bist ein kleines Wunder! So wie alles um dich herum! Vertraue dir doch einmal und finde deine eigene Wahrheit. Sie ist tief in dir verwurzelt, nur manchmal vergesst ihr Menschen das, weil ihr unbedingt alle einer Meinung sein wollt. Öffne deinen Blick für all die Wunder, die dich umgeben und du wirst sehen, das Leben wir dir gleich viel fröhlicher und leichter erscheinen.“

„Danke, kleine Schneeflocke, das, was du mir heute erzählt hast, werde ich mir gut verwahren.“ Langsam begann ich zu frösteln.

Nun schien die Schneeflocke an meinem Ohr zu lachen: „Ich habe dir doch gleich gesagt, dass wir Schneeflocken zu kalt für deinen warmen Körper sind. Geh lieber schnell ins Haus herein, bevor du krank wirst. Nur bitte vergiss nicht, worüber wir heute gesprochen haben.“

„Das werde ich nicht, ich verspreche es dir!“ Mit diesem Worten lief ich zurück ins Haus. Zitternd schaute ich auf meine Hände. Sie waren blau von der Kälte. Ich war wohl länger dort draußen gewesen als gedacht. Aber das war es wert gewesen.

Ich glaube, ich habe meine eigene Wahrheit nun schon gefunden: Nicht nur alles, was um uns herum passiert, ist ein Wunder. Nein, das ganze Leben ist ein Wunder. Ich wusste es. Ich hatte es von Anfang an gewusst.

 

 

Halloween - Das Fest der Untoten

31.10.2013

Eine kleine Geschichte passend zu Halloween, die aber eigentlich eher humorvoll und lustig als gruselig ist. ;)

 

Es war dunkel. Es war Nacht. Und was hörte man vom Friedhof her? Lautes Kreische: „Nein, nein, ich will kein Kissen, Gisela!“, ertönte eine kratzige Stimme in höchst mürrischem Tonfall. Wer sich hier so laut beschwerte, war freilich ein Geist. Es war der gute alte Mr. Bernhard. Er saß - wie eigentlich immer - auf seinem hohen Grabstein und schaute griesgrämig in die Gegend. Die gute Frau, die ihm ein Kissen angeboten hatte, weil sie sich mal wieder um die Gesundheit von Mr. Bernhard sorgte, hieß Gisela. „Na gut, aber wundere dich nicht, wenn du noch eine Blasenentzündung bekommst“, meinte Gisela nun. Der Geist verdrehte die Augen und erwiderte: „Ich bin doch schon tot. Was soll mir noch passieren? Selbst wenn ich mich vor einen Zug schmeiße, verschwinde ich nicht von dieser fucking Erde!“

„Wer schmeißt sich vor einen Zug?“, ertönte nun eine andere Stimme, die schon deutlich sympathischer klang. Erwin hatte den Friedhof erreicht. Er hatte sich in einen feinen Anzug geschmissen, der jedoch in Verbindung zu seinen übergroßen, weißen Pupillen ein wenig befremdlich aussah. „Hey, Zombie!“, rief Mr. Bernhard. Angesprochenen duckte sich und fragte: „Wo?“ Mr. Bernhard schüttelte den Kopf und wenn er einen Computer zu Verfügung gehabt hätte, hätte es jetzt sicherlich einen *Facepalm* gegeben. Doch dies bleib von Erwin unbemerkt, der sich plötzlich in den Armen von Gisela wiederfand, die den Zombie stürmisch umarmte. Vorsichtig erwiderte Erwin dieses und erklärte mit einem breiten Grinsen: „Es ist immer noch so neu für mich, mit Menschen freundlich umzugehen und sie nicht umzubringen“. Mr. Bernhard klinkte sich ein: „Menschen? Sag mal, wo siehst du hier Menschen? Ich sehe hier nur einen Untoten, der gern ein Sterblicher wäre, und eine Hexe, die...-“ Gisela vervollständigte schnell: „Die der Hexerei abgeschworen hat!“ Mr. Bernhard konnte nur wieder den Kopf schütteln und murmeln: „Ich bin von Idioten umgeben…“

Er überlegte sich gerade, ob er nicht mal wieder die anderen heimischen Geister ärgern wollte, als ein weiterer Gast eintraf. „Hallo ihr Lieben!“, rief er über die Begräbnisstätte, sodass sich vermutlich alle Leichen im Grab umdrehten und sämtliche Geister ein genervtes „Pssscht!“ von sich gaben. Gisela rannte zu ihm und begrüßte ihn: „Hallo Herbert! Ich freu mich so, dass du auch da bist!“ Herbert hingegen erklärte zudem: „Ich hab sogar Schokolade mitgebracht!“ Mittlerweile versuchte Mr. Bernhard, seinen Kopf gegen den Grabstein zu donnern. Leise murmelte er: „Gar kein Durst auf Blut?“ Doch wieder wurde er ignoriert, denn Gisela schimpfte gerade mit Herbert: „Du weißt doch, dass zu viel Schokolade nicht gut für deine Zähne ist! Du hast sowieso schon so Gelbe!“ Sogleich fing der Vampir an zu maulen: „Boa, ich dachte, du wärst privat hier! Nicht genug, dass du mich in deinem Beruf als Ärztin immer an meine schlechten Zähne erinnerst…“. Gisela wollte schon etwas erwidern, da fuhr Herbert fort: „Außerdem… Ich hab ja versucht, keine mehr zu essen! Aber es geht nicht! Es ist wie eine Sucht, ich kann einfach nicht aufhören, ich brauche immer mehr davon…“

Erwin hatte sich inzwischen einen Gartenstuhl geschnappt, den Gisela zufällig mit sich herum schleppte. Aufmerksam beobachtete er Mr. Bernhard, der inzwischen in seinem eigenen Grabstein feststeckte. Er wollte gerade seine Hilfe anbieten, als plötzlich ein bestialischer Gestank die Luft erfüllte. Entsetzten und Grauen breiteten sich unter den anwesenden Geistern und anderen Wesen aus. Voller Angst drehte Erwin seinen Kopf langsam in die Richtung, aus die Verwesung zu kommen schien. Fast wären ihm seine übergroßen Augen aus dem Kopf gefallen, doch er konnte sich gerade noch halten. Dafür fiel er samt dem Gartenstuhl um.

Das Wesen, was sich da näherte, war eine Mumie. Genauer gesagt war es ein Pharao, Heinz-Peter der VI. Andererseits hätte es genauso gut Mr. Bernhards Leiche sein können, denn nach tausend Jahren Verwesung erkannte man garantiert keine Gesichtszüge mehr.

Gisela stöhnte und fragte Herbert: „Sag mir bitte nicht, du hast ihn eingeladen!“ Herbert versuchte sich zu rechtfertigen: „Och komm schon, er kann doch ruhig ein bisschen mit uns Halloween feiern! Von allen anderen wird er doch gemobbt…“ Mr. Bernhard krächzte: „Na dann überleg dir mal, warum wohl!“ Herbert bedachte Mr. Bernhards Hintern mit einem bösen Blick, da Mr. Bernhard immer noch im Grabstein feststeckte und er somit keinen Blick auf sein Gesicht werfen konnte. Inzwischen hatte sich Erwin wieder aufgerappelt und stellte den Gartenstuhl wieder auf.

Gisela hatte Erwins kleinen Unfall erst jetzt bemerkt und schrie hysterisch: „Oh mein Gott, geht es dir gut? Bist du auf dem Apfelkuchen gelandet?“ Erwin versuchte ein ausdrucksloses Gesicht zu wahren, während er nachsah. Mit großer Erleichterung bemerkte er, dass er ca. zwei Meter neben dem Apfelkuchen gelandet war und somit keinen Ärger zu erwarten hatte. Dafür entdeckte er plötzlich eine weißes, haariges Etwas, das ihn böse anstarrte. Bevor er sich versah, spürte er eine Kralle in seinem Gesicht. Genauer gesagt vier Krallen, genauer gesagt eine Katzenpfote. Mr. Bernhard schlug sich heimlich aufs Knie vor Schadenfreude. Manchmal hatte es eben doch etwas Gutes, einen guten Draht zu Tieren zu haben. Dennoch war etwas enttäuscht, dass die Katze sich schon nach einem Schlag wieder ihrer Katzenwäsche widmete.

Gisela hatte alles fassungslos mit angesehen und fing schon wieder an zu schimpfen. Diesmal mit ihrer Katze: „Seidenflocke, du sollst doch keine Leute anspringen!“ Seidenflocke bedachte Gisela mit einen verständnislosem Blick. Was konnte sie denn dafür, wenn sich ein übergewichtiges Monster samt Gartenstuhl auf sie drauflegte?

Währenddessen hatte sich Herbert vorsichtig der Mumie genähert, die leider, leider ihre Leinen abgestreift hatte. „Also Heinz-Peter… Wie wäre es, wenn du noch mal nach Hause gehst und dich mit ein bisschen Klopapier festlich einkleidest?“, meinte er mit den Fingern an der Nase. Die Mumie grunzte zustimmend und machte sich auf den Rückweg. „Na endlich!“, kreischte Mr. Bernhard, der schon ziemlich lange nichts mehr gesagt hatte. Inzwischen hatte er sich fast wieder aus dem Grabstein befreien können, leider steckte er immer noch mit einem Arm fest. Doch er war zu eitel, um Hilfe zu erbitten. Stattdessen lehnte er sich lässig gegen seinen Grabstein.

Bevor irgendjemand etwas darauf erwidern konnte, zog schon ein neuer Gast alle Aufmerksamkeit auf sich.

Seidenflocke sah ihn als erstes und begab sich schwanzwedelnd zu ihm. Sie hatte diesen mysteriösen Kater mit auffallend schwarzem Fell und dieser entzückend pinken Nase schon oft gesehen. Ab und an verwandelte er sich in einen Mensch und sie war clever genug, um zu verstehen, dass er lieber ein Wolf wäre als eine Katze. Wenn sie nun also mit dem Schwanz wedelnd auf ihn zu kam, müsste er doch eigentlich begeistert sein. Oder? Die Katze schüttelte den Kopf, angesichts dieser skurillen Gedanken.

Der Kater versuchte sich von den Flirtversuchen Seidenflockes nicht beeindrucken zu lassen. Stattdessen sah er zu Erwin hoch, der sich mittlerweile laut fluchend ein Taschentuch auf die Wunde hielt. Mr. Bernhards einziger Kommentar dazu war: „Herbert, wirst du da nicht schwach?“ Verheißungsvoll wackelte er mit den Augenbrauen. Herbert dagegen hatte sich längst eine Tafel Schokolade geschnappt und knabberte nun aufgeregt an ihr herum.

Gisela schaute einmal böse zum runden, hellen Vollmond hoch, der daraufhin augenblicklich hinter einer dichten Wolkenfront verschwand. Noch bevor irgendjemand etwas zu dieser absolut epischen Wendung des Geschehens sagen konnte, passiert noch etwas absolut Außergewöhnliches: Der kleine schwarze Kater mit der pinken Nase verwandelte sich in einen lebensgroßen Menschen. Sogleich wurde er von Gisela strahlend begrüßt: „Wolfgang!“ Angesprochener klopfte sich den nicht vorhandenen Staub von der Kleidung und nickte allen lächelnd zu: „Hi!“.

Gisela meinte: „So, dann lasst uns mal den Apfelkuchen essen!“ Herbert klatschte in die Hände und freute sich einen Keks. Mr. Bernhard war von dieser Wendung des Geschehens nicht begeistert. Der einzige, der jetzt noch fehlte, um dieses Chaos komplett zu machen, war -

„Huuuuuuuuuuuuuuuhuuuuuuu!“ Wieder fauchten alle anwesenden Geister: „Pschht!“ Genervt über diese Störung war auch Erwin, der schon wieder mit dem Stuhl umgefallen war. Was nun angekommen war, nannte sich ein Gespenst. Mr. Bernhard widmete sich wieder seiner neuen Lieblingsbeschäftigung: Seinen Kopf gegen den Grabstein zu donnern… „So eine Schande, und das vor MEINEM Grab! Wenn es wenigstens gruselig wäre…“ Diesmal wurde er gehört. Und Gespenst war darüber überhaupt nicht erfreut: „Nicht gruselig? NICHT gruselig?“ Böse baute es sich vor Mr. Bernhard auf, nur war es leider ca. drei Köpfe kleiner als dieser. „Wenigstens habe Ich eine Aufgabe auf dieser Welt!“ Inzwischen hatte sich Seidenflocke gähnend abgewandt. Alles war spannender als das hier… Und deswegen wandte sie sich jetzt auch schleunigst ab, um bloß nicht schon wieder eine ewige Diskussion zwischen Mr. Bernhard und dem Gespenst mit anzuhören. Stattdessen überlegte sie sich lieber, wie sie diesen sexy Kater doch noch rumkriegen könnte…

 

 

Ein Augenblick kann alles verändern

Mein Beitrag zu Sarahs erstem Wettbewerb ;)

 

Ich zitterte. Zitterte am ganzen Körper, zitterte wie Espenlaub. Was war, wenn sich unser ganzes Leben innerhalb eines Augenblicks verändern konnte? Wie konnten wir dann unser Leben lang so tun, als wäre alles normal und als wäre diese Welt nur ein Spiel? Denn nichts war ein Spiel, es war alles Realität. Harte Realität. Und plötzlich, wenn du schon nicht mehr damit rechnest, springt sie dich an und du stehst einfach nur da. Zitternd, schockiert, aber du weißt jetzt: Das hier ist kein Spiel.

Die Erde würde sich weiter drehen, die Menschen würden weiter leben, die Welt könnte das verkraften. Aber kann ein einzelner Mensch das verkraften? Wenn er plötzlich merkt, dass er eine tonnenschwere Last auf seine Schultern geladen hat?

 

Toni war wie festgefroren. Er hatte nichts gespürt und jetzt brach das Leben mit einer Flut über ihn herein, die ihn verzweifeln ließ. Wenn es denn das Leben war… Erst heute erkannte er, wie wertvoll das Leben wirklich war.

Er erinnerte sich nur wage, was geschehen war. Bunte Lichter, lachende Menschen, Alkohol… Alles war verschwommen, bis zu diesem einen Moment, den er nie wieder vergessen würde - egal, wie das hier enden würde. Da war ein Auto, ein rotes Auto, und er stieg ein, ans Steuer. Neben ihm seine Freundin. Wie verwackelt hatte er immer noch ihr Bild vor Augen, wie sie plötzlich nach vorne sah und schrie. Doch er? Wie in Zeitlupe hatte er sich nur herum gedreht. Und dann war da ein Baum gewesen… Und ein Aufprall und dann war alles schwarz geworden…

Er schüttelte verzweifelt den Kopf. Er wollte sich nicht erinnern, wollte es nicht noch einmal durchleben. Das hatte er doch schon, mindestens hundert mal… Hundert mal dieselben Gedanken und hundert mal diese Schuldgefühle. Er raufte sich die Haare. Spürte den kalten Stuhl nicht, auf dem er saß, spürte nicht die etlichen Tränen, die seine Augen verließen, spürte nicht die kurze Berührung einer fremden Hand auf seiner Schulter. Toni fühlte sich wie eingeschlossen. Da waren nur er und die Erinnerungen. Die nicht endenwollenden Bilder. Womöglich waren diese Bilder bald alles, was ihm noch von ihr blieb.

Ein Spiel. Das war das Leben bisher für ihn gewesen. Nur konnte er in diesem Spiel nicht einfach auf „Play Again“ drücken, wenn er die Karre in den Sand setzte. Das Leben gibt dir nur eine einzige Chance. Eine Chance, nur eine Chance. „Bitte… nur eine zweite Chance“, flüsterte er nun leise vor sich hin, während er den Kopf in den Armen versteckte.

 

Wie konnte es sein, dass er ohne große Verletzungen davon kam, während sie, die Liebe seines Lebens, nun im Sterben lag? Dieses Leben ist nicht gerecht, das wusste Toni nun. Niemals wäre dieses Leben gerecht, wenn sie sterben müsste. Er war schuld an diesem Unfall, es war alles allein seine verdammte Schuld. Warum konnte er nicht anstatt ihr auf der Intensiv-Station liegen? Warum, warum, warum? Und er konnte nicht tun, außer warten. Warten, auf ein Zeichen. Das Gefühl, nichts tun zu können, um ihr zu helfen, erdrückte ihn. Durch den Schweiß lag das Shirt, das er trug, auf seiner Haut und die Tränen färbten es dunkel. Es war ihm egal.

Wenn sie starb, war es seine Schuld. Seine ganz allein. Diese Gewissheit ließ ihn verzweifeln. Seine Schuld… Er hatte nie irgendjemandem schaden wollen. Er wollte doch nur ein wenig Spaß. Und nun saß er hier, im nächsten Krankenhaus und wartete auf die alles entscheidende Nachricht der Ärzte. Leben oder Nicht-Leben? Tod oder Nicht-Tod? War es so einfach? Die größte Frage des Lebens, und doch schien es so einfach. Toni machte sich Selbstvorwürfe, aber momentan konnte er diese noch verdrängen. Viel mehr war da die Angst. Nackte, pure Angst, wie er sie bisher noch nie gespürt hatte. Wenn sie starb… Deine Schuld, flüsterte ihm die Stimme wieder zu.

 

Aus Minuten wurden Stunden, aus der Nacht wurde Tag. Doch für ihn schien die Zeit still zu stehen. Er hörte nichts, sah nichts, wartete nur auf die eine Nachricht, die sein weiteres Leben bestimmen würde. Denn so war es. Er wusste, er würde nicht einfach weitermachen können wie zuvor. Wenn er wirklich… wenn sie wegen ihm sterben würde.

Die Uhr tickte und mit jeder Sekunde, die verstrich, wurde die Hoffnung geringer. Wurde die Angst größer.

Irgendwann, zwischen Wimpernschlag und Unendlichkeit, wurde er schließlich angesprochen. „Entschuldigung…“ Wie im Trance hob er den Kopf. Da stand eine Frau vor ihm. Er versuchte in ihren Augen zu lesen und die Wahrheit zu finden. Doch sie wich ihrem Blick aus. Ungeduld packte ihn. „Bitte… Sagen Sie doch etwas…“ Die Frau blickte zu Boden und erklärte: „Wir konnten sie nicht retten. Sie… sie ist heute von uns gegangen.“

 

Wenn dir das Wichtigste in deinem Leben genommen wird, bist du dann überhaupt noch in der Lage zu fühlen? Bist du in der Lage, deinen Körper am Leben zu erhalten? Bist du zu den kleinsten, unbedeutendsten Dingen fähig? Wie Herzschlag, Wimpernschlag, Blutkreislauf?

Einen Moment lang herrschte Stillstand. Eis breitete sich aus, bemächtigte sich jeder Zelle seines Körpers und ließ keine Regung zu. Nicht zusammenbrechen. Weiterleben. Herzschlag.

Muskeln bewegten sich, Beine erhoben sich, Füße voreinander setzen. Blick schweift umher. Fokussieren, scharf stellen. Doch es geht nicht. Die Welt schwirrt vorbei. Hinfallen, Schmerz. Schmerz in den Knien. Wieder aufstehen. Eine Stimme, die ihm etwas zurief. Codierte Laute, die er nicht zu verstehen vermochte. Weiter gehen. Die vielen Leute verwirrten ihn, doch er blieb nicht stehen. Wo war sie? Erinnerung. Schmerz, zittern. Ein Mann direkt vor ihm. Unwirsch stieß er ihn zur Seite. Er musste es mit eigenen Augen sehen, bevor er es glauben konnte. Bevor er zusammenbrach.

Da war eine Tür offen. Er lief hindurch, ohne es richtig zu realisieren. Und da lag sie. In ihrem eigenen Blut. Er ging zu ihr, mit zitternden Knien. Keine Gefühlsregung. Nur schauen. Seine Augen kreisten herum. Er berührte sie. Kalt. Sie sah blass aus, krank. Vorsichtig schloss er ihre wunderschönen, blauen Augen. Strich über ihr schwarzes Haar. Schwarz wie Ebenholz. Die Haut wie Schnee. Schneewittchen. Doch Schneewittchen hatte niemals in ihrem eigenen Blut gelegen.

Er drehte sich herum, Gedanken kreisten. „Hilfe!“, rief er heiser, doch niemand hörte ihn. Für die Menschen da draußen war sie nur eine Zahl. Ein Minus in der Statistik. Niemand war mehr hier. Er konnte nicht mehr klar sehen. Schloss die Tür, ohne die vielen Tränen zu bemerken. Sie spielten keine Rolle mehr. Nichts da draußen spielte noch eine Rolle. Er sah sich um. Wie durch Nebel entdeckte er ein Messer. Es war rot. Rot von ihrem Blut. Deine Schuld, flüsterten seine Gedanken. Ein Schrei der Verzweiflung entglitt ihm. Das war nicht gerecht. Er wollte das nicht, so nicht. Er berührte ihre inzwischen eiskalte Hand und dann nahm er das Messer.

Toni ging zum Fenster, schaute nach draußen. Direkt vor dem Krankenhaus war ein Kinderspielplatz. Er sah sie lachen und spielen. Nur ein Spiel? Nein, das Leben war viel mehr wert. Der Moment, in dem er das begriff, war gleichzeitig sein letzter. Denn nun hatte das Leben für ihn seine Bedeutung verloren.

Er hörte nicht mehr, wie die Menschen an die Tür klopften und wild schrien. Das letzte was er spürte, war das Messer in seiner Hand und der Schmerz an seinem Handgelenk. Plusschlagader. Herzschlag unterbunden.

Und vielleicht fand er sie ja wieder. Und vielleicht, vielleicht vergibt sie ihm.

 

 

Mein Auge

So, dann bin ich jetzt mal gespannt, was ihr von dieser Idee haltet...

 

„So, dann wollen wir dich mal für heute hübsch machen!“ Unsanft wurde ich aus meinen Träumen geweckt. Und meine Träume waren die schönste Zeit des Tages. Mühsam öffnete ich mein Auge. Es tat noch weh, von der grob eingesetzten Augenlinse gestern. Mein Herr hatte sich ein völlig weißes Auge gewünscht, da er eine Art Winterlandschaft für seine Gäste kreieren wollte. Solange seine Gäste da waren, war es immer schlimm. Denn dann wollte mein Herr zeigen, was er sich leisten konnte. Und deshalb konnte ich gestern Abend, als ich für ein paar Augenblicke die weiße Linse aus dem Auge genommen bekam, weiße Arme und andere Körperteile aus den Wänden schauen sehen, bevor sich wieder die altbekannte Klappe über mein Auge legte.

Aber ich hatte mit der Klappe Freundschaft geschlossen. Denn durch sie konnte ich das vorhandene Elend eine Zeit lang ausblenden. Sobald die Klappe geschlossen wurde, schloss ich mein Auge, denn mir wurde nie viel Schlaf gegönnt. Besonders wenn die Gäste des Herrn anwesend waren, wurde es immer ein langer Abend und schon in der Frühe kamen die ersten Diener, um mein Auge wieder herzurichten. Es war mir nicht gestattet, mein Auge auch nur eine Minute zu schließen, wenn Menschen im Raum waren. Mir war es einmal passiert und von der Bestrafung schmerzte mein Körper noch Wochen danach.

 

Malvin beugte sich über mich und holte seine Utensilien hervor. „Heute wünscht sich der Herr eine Unterwasser-Kulisse. Ist das nicht schön, Cherie?“ Ich hasste, wenn er mich Cherie nannte. Aber wie hätte ich überhaupt den Mund aufmachen sollen? Er kniete vor mein Auge und schüttete mir eine beißende Flüssigkeit hinein. Ich hätte geschrien, wenn ich gekonnt hätte. Tränen über Tränen schossen aus meinen Augen. „Aber, aber, Cherie, wir wollen doch die weiße Farbe von gestern von deiner hübschen Haut holen!“

Ja, darauf kam es an. Aber nur auf diesen kleinen Teil meiner Haut, nur ca. 6x6 Zentimeter. Den Rest hatte ich schon lange nicht mehr gespürt. Wie auch, ich hatte ihn seit ungefähr zehn Jahren nicht mehr bewegt. Er lag eingemauert in diesem tiefem, schwerem Mamorboden.

„So Cherie, jetzt kommt das Basic-Puder!“ Da ich wusste, was folgte, schloss ich das Auge und schon fuhr mir Malvin mit einem dicken Pinsel über die Haut. Es war wohl ein goldenes Puder. Nachdem das verrichtet war, brachte er goldene, glitzernde Partikel rund um mein Auge auf.

Während dieser Zeit konnte ich die Gedanken ein wenig schweifen lassen. Nur mein Auge lag hier oben an der Oberfläche. Wie genau mein Herr oder vielmehr irgendein cleverer Konstrukteur das geschafft hatte, war mir ein Rätsel. Vermutlich wurde ich künstlich mit Nährstoffen versorgt, denn wie sonst sollte ich nach zehn langen Jahren sonst noch am Leben sein? Ohne dass meine Nase je Luft geschnuppert hatte oder mein Mund etwas zu essen bekommen hatte?

„Und jetzt kommt das Mascara!“, Malvins Stimme zitterte vor Aufregung. Ich rollte mein Auge. Mein eines Auge, das an der Oberfläche lag, einfach so, schutzlos der Außenwelt ausgeliefert. Doch heute konnte ich erleichtert sein. Malvin würde nie Mascara auftragen, wenn er nicht noch eine Augenlinse hätte einsetzten müssen. Also konnte ich heute vermutlich endlich mal wieder richtig sehen. Wobei ich den Raum, in dessen Boden ich eingemauert war, sowieso auswendig kannte. Malvin kam mit einer riesigen Mascara-Bürste näher, die mit roter Farbe besetzt war. „Das Rot passt ganz entzückend zu deinen grünen Augen!“ Wie gerne habe ich mir in diesen Momenten gewünscht, eine schlagfertige Antwort zu geben. Einfach nur das hätte mir eine unglaubliche Genugtuung verschafft. Aber dieses Glück war mir nicht begönnt. Also nahm ich es hin. Für den Moment.

Nachdem Malvin mir nun auch rote Mascara aufgetragen hatte, holte er noch ein paar türkise und grüne Strasssteinchen hervor. Nachdem er diese seiner Meinung nach endlich perfekt platziert hatte, holte er noch einen orangefarbenen Seestern aus seiner Tasche und legte ihn direkt neben mein Auge. Hui, das war aber ein gewagter Farbmix, dachte ich sarkastisch.

Alle hier dachten, sie hätten mich vollkommen gefangen, aber das stimmte nicht. Sie konnte ja meinen Körper gefangen halten, aber mein Geist war noch frei. Und an all diesen immer gleichen Tagen schmiedete ich Pläne. Pläne, die allesamt einfach nur unerreichbar schienen. Aber sie gehörten mir. All meine Gedanken gehörten mir und das war etwas, was wir niemand nehmen konnte.

„So, Cherie, ich muss weiter, bis später dann!“ Und mit diesen Worten verabschiedete sich Malvin und stand wieder auf. Ging, ohne ein weiteres Wort. Er war einfach schon viel zu abgebrüht, um noch etwas dabei zu empfinden…

 

 

Die Stimme, die mir sagte, ich soll nicht springen

Endlich mal wieder eine neue Geschichte von mir, in der ein Mensch in seiner scheinbar dunkelten Stunde vo einer mysteriösen Stimme angesprochen wird...

 

Heute Abend werde ich springen. Ich habe lange darüber nachgedacht, aber nun steht mein Entschluss fest. Ich sehe keinen anderen Weg mehr, ich versinke förmlich in all dem Leid um mich herum und in mir drin. Mein ganzes Leben ins ein Chaos und ich sehe keinen Sinn mehr, noch weiter zu kämpfen. Es gibt nichts mehr, wofür es sich zu kämpfen lohnen würde.

Also stehe ich nun hier, auf dem Balkon im fünften Stock eines Hochhauses. Es ist nur eine kleine Mietwohnung, die sich hinter mir erstreckt. Ich habe einen Brief geschrieben, den wird man finden, wenn ich fort bin. Ich frage mich, wer an meinem Grab stehen wird und mich beweinen wird. Mir fiele niemand ein…

Spring nicht, wisperte da eine Stimme in mir, Das wäre feige. Ich wusste nicht, woher diese Stimme kam. Sie klang nicht wie ich, nicht nach mir. Feige? Womöglich. Aber wenn würde es schon interessieren? Du denkst du bist allein, aber das bist du nicht. Niemand von denen, die dich lieben, würde das wollen.

Wer liebt mich denn bitte? Ich habe alles in meinem Leben kaputt gemacht. Ja, ich habe das Gefühl das alles, was in den letzten Monaten geschehen ist, meine Schuld ist. Das ist nicht wahr. Stimmt, die Stimme hatte recht. Die Welt war Schuld, das Schicksal, wer auch immer. Wütend schrie ich in die Nacht, schrie meinen ganzen aufgestauten Zorn heraus. Alle waren gegen mich, aber vermutlich war es richtig so. Vermutlich hatte ich es nicht besser verdient. Wäre es wirklich feige, das alles jetzt schnell und schmerzlos zu beenden? Es gibt Momente im Leben, wo du denkst, die ganze Welt ist gegen dich, aber jetzt zu springen wäre falsch! „Wieso denn?“, brüllte ich und schwang ein Bein über das Geländer des Balkons. Leise flüsterte die Stimme: Du hast noch so viel vor dir. Du kennst das Leben doch noch gar nicht. Ich hatte aber schon genug erlebt, um zu wissen, dass ich das keine Sekunde länger aushielt. Vermutlich hatte ich in meinem kurzen Leben bisher mehr Leid erlebt, als jemand Anderes in einem ganzen Leben. Von dem Chaos in meinem Kopf mal ganz abgesehen. Entschlossen schwang das andere Bein über das Geländer und schaute nach unten. Ich müsste nur noch loslassen. Und mit meinem Leben hatte ich sowieso abgeschlossen. Na, was sagst du jetzt, Stimme in meinem Kopf? Ich bin fest entschlossen und du kannst mich nicht aufhalten! Die Stimme schien zu seufzen: Dir ist nicht dieses Ende bestimmt. Woher willst du das wissen? Ich weiß es. „Na gut, dann schau mal, wie ich deine nette kleine Weltanschauung zerstöre!“ Meine eine Hand ließ das Geländer los und plötzlich hing ich nur noch mit einer Hand an der Brüstung. Es war nur noch ein winziger, körperlicher Strang, der mich am Leben hielt. Aber wollte ich das überhaupt? Ich denke, es wurde Zeit, dass ich dem endlich ein Ende bereitete.

Du weißt, dass es nicht richtig wäre. Die Stimme säuselte mir ins Ohr und irgendwie schien sie plötzlich die Membran zu durchdringen, die ich um meinen Geist gewoben hatte. Die Worte kamen bei mir an und zwar wirklich. Wie ein Hammer trafen sie auf mein Innerste und ließen den schönen, säuberlichen Entschluss, den ich aus all den schlimmen Erinnerungen geballt hatte, auseinander fallen.

Plötzlich wurde mir bewusst, dass ich gerade kurz davor war, Selbstmord zu begehen. Und mein Handgelenk ächzte und ich jeden Moment loslassen würde. Panisch packte ich mit der anderen Hand das Geländer und versuchte, mich wieder auf den Balkon zu hieven. Als ich abrutschte, setzte mein Herz einen Schlag aus. Doch dann hatte ich wieder Boden unter den Füßen. Zitterte wie verrückt. Dachte, ich bekomme einen Herzanfall, so schnell schlug es gegen meine Brust. Immer weiter wich ich zurück und nach einer Weile wurde mir die Kälte bewusst, die sich inzwischen in jeder Zelle meines Körpers breit gemacht hatte. Rasch ging ich in meine Wohnung und kaum war die Tür zu, brach alles in mir zusammen. Die schöne Fassade, der tolle Entschluss waren wie ein Staudamm gewesen. Er sollte die Lösung für all meine Probleme sein. Und nun, brach er zusammen und in einer einzigen sinnflutlichen Welle schwappte alles über mir zusammen.

Ich setzte mich hin und schob den Kopf zwischen die Knie, wären die bitteren Tränen hochkamen. Sofort versuchte ich, sie wieder zurückzudrängen. Es ist okay. Du musst nicht immer stark sein, meldete sich die Stimme wieder zu Wort. Unter Tränen fragte ich: „Was soll ich denn nun tun?“ Nun meldete sich die Stimme ein letztes Mal und erklärte mit klarer, entschiedenem Tonfall: Jetzt wirst du lernen, dein Leben in den Griff zu bekommen.

 

 

Kein Leben

Mal wieder ein kleiner Text von mir, in dem ich mich daran versuche eine "gruselige Atmosphäre" zu schaffen. Bin gespannt, ob's mir gelungen ist! ;)

 

Totenstille. Eine undurchdringliche Schwere liegt in der Luft. Automatisch hält sie die Luft an, als sie auf leisen Pfoten weiter schlich. Es ist so leer… Niemand ist mehr da, alles Leben wurde verschluckt, es ist, als wären sie nie hier gewesen… Nur sie ist jetzt noch hier. Doch instinktiv fragt auch sie sich, was sie hier eigentlich will. Diese Gegend kann nicht gut für sie sein, für kein Lebewesen.

Der Himmel ist zugezogen mit dunklen, Unheil verkündenden Wolken und sie achtet akribisch darauf, kein noch so leises Geräusch zu machen. Wie gut, wenn man auf Samtpfoten läuft… Die Muskeln bewegen sich im Takt, während sie weiterhuscht. Hektisch, immer schneller will sie laufen, nur weit weg von diesem unheimlichen Ort! Aber sie zwingt sich, Ruhe zu bewahren, atmet tief durch, um einen klaren Kopf zu behalten. Ihrem messerscharfem Blick könnte nichts entgehen, aber es gibt nichts, was sich bewegt. Alles fort… Die Erinnerung an Vergangenes bohrt sich mit einer Wucht in sie, dass sie einen kurzen Moment taumelt. Doch schon hat sie sich wieder unter Kontrolle und verbannt die ganze Vergangenheit aus ihrem Kopf, katapultiert sie in die hinterste, und dunkelste Ecke ihres Geistes. Es wäre ihr auch recht, wenn die Erinnerung für immer verstummen würde.

Ein leiser Windhauch fegt durch die Gassen. Zischend pfeift er durch jede noch so kleine Ritze und lässt sie die Nackenhaare aufstellen. Jedes Geräusch wirkt hier zu laut. Sie hebt den Blick und er blickt ein Gebäude. Zwei hohe Türme, dazwischen eine Brücke, und alles von riesigen fast durchsichtigen Spinnenfäden umhüllt. Einst waren hier so viele Menschen lang gefahren… Was war nur geschehen, dass sich alles so geändert hatte? Unruhig läuft sie weiter, näher auf das Bauwerk zu. Wenn sie jetzt hoch schaut, kommt sie sich so klein vor, dass sie am liebsten verzweifelt maunzen würde. Aber nein, nur keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen! Jetzt steht sie vor einer Glaswand, in die die Menschen früher spaziert waren. In großen, leserlichen Buchstaben steht da „Tower Bridge Exhibition“. Doch sie läuft weiter, unermüdlich, auch wenn sie erschöpft wie nie in ihrem Leben ist. Hier ist sie nicht sicher… Sie musste hier weg!

Es gab Gerüchte, was geschehen war, durch jede Gase meint man ein Zischen zu hören und wie eine Ahnung schwebt über allem diese geisterlose Leere. Alles war besser, als dieser Ort. Also schlich sie weiter, immer weiter, fort von diesem Ort, den selbst die Geister mieden. Vielleicht würde sie anderswo Leben finden, irgendjemanden, der überlebt hatte…

 

 

Warum die Liebe auf den ersten Blick nicht immer funktioniert

Diese Idee ist mir gekommen, als ich mir dieses Musikvideo ansah. Ich hoffe damit, dass ich das jetzt verlinkt habe, verletze ich kein Urherberrecht. Wenn doch, sagt mir bite Bescheid! Bin gespannt, wie diese Kurzgeschichte bei euch ankommt! :)

 

„Ich liebe dich. Du bist alles, was ich brauche. Ich könnte nie jemanden mehr lieben, als dich.“ Ich blicke in seine rehbraunen Augen und weiß, dass er die Wahrheit sagt. Und trotzdem stehe ich hier im Regen, meinen Koffer in der Hand. „Ich weiß“, sage ich leise. Ich weiß es, aber trotzdem kann ich nicht bei ihm bleiben.

 

Als ich ihn das erste Mal sah, war ich sofort verliebt. Und dann ging alles recht schnell, er sagte mir, dass er mich liebt und ich ging mit ihm, über beide Ohren verliebt. Wir zogen zusammen und die ersten Wochen war ich sehr glücklich.

Aber dann bemerkte ich irgendwann all die Exzesse, in die er verstrickt war. Einmal ging ich mit ihm auf eine Party. Überall liefen Frauen mit einem viel zu weiten Ausschnitt herum und der Alkohol floss in Strömen. Um vier Uhr nachts musste ich uns schließlich ein Taxi bestellen, weil er sich sturzbetrunken hatte. Die ganze Zeit brabbelte er irgendetwas vor sich hin, wollte mich küssen und grinste mich anzüglich an. Es war schrecklich. Am nächsten Morgen, wobei es eher nachmittags war, erwachte er mit Kopfschmerzen in seinem eigenen Erbrochenen. Ich war entsetzt, als ich ihn so im Bett fand. Doch, Herr Gott, ich liebte ihn, also machte ich alles sauber und vertraute auf seine Entschuldigungen und Worte, dass das nur ein Versehen war und es nie wieder vorkommen würde. Mit einem einfachen Kuss verzieh ich ihm diese für mich so unangenehmen Stunden und Momente.

Doch es ging noch weiter. Irgendwann erwischte ich ihn, wie er sich gerade eine Droge spritzte. Völlig entsetzt starrte ich auf seinen Arm und nahm zum ersten Mal die vielen blauen Flecke und Stiche darauf wahr, die er sonst unter einem langen Pullover versteckte. Er schrie und fuchtelte mit Armen vor mir rum und lachte. Erschüttert blickte ich weg. Es tat weh, es tat tief in meinem Herzen weh, diesen Mann, den ich doch liebte, so neben sich stehen zu sehen. Mir war, als rammte man mir ein Messer in die Brust und tat dann auch noch so, als wäre es nur eine Blume. Er war nicht mehr er selbst, aber ich fragte mich langsam, wann er das je war. Mit den Worten „Damit wird alles besser, glaub mir!“, bot er mir sogar selbst eine Spritze an. Er versuchte mir zu erklären, dass er das einfach brauchte, dass er sonst vor Stress zusammen bräche und damit sein Leben wieder bunter und schöner würde. Doch ich wollte es nicht hören.

Jeden Abend ging er nun in irgendeinen Nightclub dröhnte sich voll. Mitten in der Nacht kam er dann meist wieder und ich sah ihm einfach nur dabei zu, die ganze Zeit über war ich wie starr von Entsetzen.

 

Und heute ist es soweit, ich halte es nicht mehr aus. Ich muss gehen, muss ihn endlich hinter mir lassen. „Ich kann so nicht weiter machen“, erkläre ich. Verzweifelt und mit verklärtem Blick sieht er mich an. „Aber wir hatten doch auch schöne Zeiten.“ Das stimmt, es war ja nicht immer so gewesen… Aber trotzdem: Ich wollte nie mit so einem Mann zusammen sein und es macht mich einfach nur fertig. Ich musst endlich über ihn hinweg kommen. Mit klarer Stimme sage ich: „Danke für die Zeit, die wir zusammen hatten, aber ich muss jetzt gehen. Ich liebe dich nicht mehr.“ Er zuckt zusammen, als ich es ausspreche. Doch es ist so.

Unsere Liebe auf den ersten Blick konnte einfach nicht funktionieren, denn mit der Zeit bekam ich immer mehr raus, in was für Kreisen er sich herum trieb und damit wollte ich nichts zu tun haben.

Diesmal stoße ich mir das Messer selbst ins Herz, aber ich will es so. Ein letztes Mal sehe ich ihm in die Augen. Ich weiß, er liebt mich wirklich, aber das ändert nichts. Also drehe ich mich um und laufe mit einem Koffer die lange, von Linden gesäumte Straßen entlang, auf der sich schon die ersten Herbstblätter ansammeln, weg von dem Ort, den ich mal Zuhause nannte, weg von den Clubs und all dem, weg von ihm…

 

 

Ich ertrinke

Ein etwas sehr kurzer Text, der mir ganz spontan aus den Fingern kam. ;)

 

Ich ertrinke. Wasser schwabt von allen Seiten auf mich zu. Verschließt meine Ohren, dringt in meine Atemwege. Röchelnd versuche ich Luft zu holen, doch in meine Lungen dringt nur Wasser. Der Fluss reißt mich mit und schmeißt mich mit voller Wut gegen die Felswände, die den Fluss einkerkern und ihm keine Freiheit lasse. Verzweifelt versuche ich eine Einbuchtung zu finden, irgendeinen Halt, wo ich mich festkrallen kann. Aber das Wasser hat die Wände glatt geschmirgelt. Die Strömung treibt mich weiter und plötzlich falle ich einen kleinen Wasserfall herunter. Tief falle ich ins Wasser und Kaskaden von Wasser schütten sich über mir aus. Ich strampele, panisch versuche ich, an die Oberfläche zu gelangen. Komme hoch. Hole Luft. Und bin wieder unter Wasser. Frustriert tauche ich ein Stück weiter, mit der neuen Luft, die mir wie ein Geschenk vorkommt. Dann stoße ich mich am Grund ab und werde zur Seite geschleudert. Da! Eine kleine Kerbe im Gestein! Sofort grabe ich meine Hände in die Einkerbung, versuche mich, festzuhalten. Doch der Strom zerrt mich mit und wieder wirbele ich durch das Wasser. Mein Kopf verschwindet unter Wasser und gurgelnd und würgend, versuche ich wieder nach oben zu kommen. Doch vergebens, die Flut ist zu stark. Wieder stürze ich eine kleine Stromschnelle hinunter und wirbele durch das Wasser. Mein Herz hämmerte immer schnell, während meine Lungen zu bersten drohten. Langsamer wurden meine Bewegungen, als mich der Fluss nach oben reißt. Ich schnappe nach Luft, doch meine Kehle füllt sich nur mit einer Woge voll Wasser. Da pralle ich schließlich gegen eine Felswand, mein Kopf schlägt gegen das harte Gestein. Wimmernd verliere ich das Bewusstsein…

 

 

Das Mädchen und der Baum

Diese Geschichte, ist mein Versuch, ein Märchen zu schreiben. Urteilt selbst, ob mir das gelungen ist. Es mag sein, dass diese Geschichte für einige von euch, die sich nicht gut auf diese Art von Geschichte einlassen können, zu kindlich ist. Bei den anderen bin ich sehr gespannt, wie ihr mein kleines "Märchen" aufnehmt! :)

 

Es war einmal ein kleines Mädchen, dessen einziger Freund war ein Baum. Schon von klein auf kannte sie ihn und die Beständigkeit, die er ausstrahlte, wurde von dem Kind sehr geschätzt. Jeden Tag rannte sie zu ihm und umarmte seinen Stamm. Dass der Baum selbst ihr nicht sagen konnte, wie gern er sie hatte, machte ihr nichts aus. Es machte ihr auch nichts aus, dass die anderen Kindern heimlich über sie lachten. Sie hatte diesen Baum sehr gerne und fühlte sich wohl unter seinen behütenden Ästen. „Abor, schau mal, dort sitzt ein Vogel auf einem deiner Zweige!“, rief es zum Beispiel. Oder: „Abor, schau mal, ich habe dich gemalt!“ So zeigte sie mit ihrer Kinderhand auf immer neue wundersame Dinge und der Baum lauschte gerne ihrer Stimme. Stundenlang konnte das Mädchen einfach unter dem Baum liegen und das, durch die sich im Wind bewegenden Blätter entstehende, Schattenspiel auf ihrem Arm bewundern. Am Ende des Tages umarmte sie ihren lieben Freund und dieser freute sich sehr, wenn er die Hand der Kleinen unter seiner Rinde fühlte. Ja, er wollte sie auf ewig beschützen und für sie da sein.

Leider ist ewig eine schrecklich lange Zeit.

 

Eines Tages, das Mädchen war inzwischen schon ganze zwölf Jahre alt, entdeckte sie durch Zufall - oder das Schicksal wollte es so - einen kleinen See, nicht weit entfernt von dem Ort, wo sie wohnte. Also erkundete sie den See immer weiter, von einer unstillbaren Neugier getrieben. Schließlich entdeckte sie einen morschen alten Steg, der so hoch auf seinen Balken stand, dass sie bequem darunter hergehen konnte. Also zog sie ihre Schuhe aus und bewegte sich, mit dem Steg über ihrem Kopf, immer weiter zur Mitte des Sees. Und da geschah etwas Außergewöhnliches: Das ganze Wasser sammelte sich zu ihren Seiten und bildete eine hohe Wasserwand, sodass ein nun vollkommen wasserfreier Tunnel entstanden war. Angst empfand das Mädchen nicht und so schritt sie mutig weiter und immer weit. Irgendwann, als sie glaubte, dass der Tunnel ewig weiter führte, sah sie eine Tür am Ende des Tunnels. Diese war leicht geöffnet und ein warmer, heller Lichtstrahl kam hindurch. Das Mädchen, welches inzwischen reichlich durchnässt und müde war, schritt ohne zu zögern hindurch.

 

Und was sie da erblickte, brachte sie zum Staunen. Vor ihr lag eine völlig neue Welt! Sie erblickte einen Baum, ähnlich ihrem Freund, der offenbar eine kleine Wohnung beherbergte. Und kurz darauf schritt plötzlich eine Gestalt aus dem Baum. Das Mädchen glaubte zu träumen: Sie sah eine wahrhaftige Fee! „Hallo!“, wurde sie von jener angesprochen, „Ich freue mich sehr, dich nun endlich kennenzulernen! Schau, ich habe dir eine heiße Schokolade gemacht, setzen wir uns doch an den Tisch!“ Mit einem Wink ihrer Hand kam ein kleiner Tisch aus dem Inneren des Baumes herausgeflogen, mitsamt zwei Stühlen und einer heißen Schokolade. Das ließ sich das Mädchen nicht zweimal sagen und so saßen die beiden kurze Zeit später gemeinsam am Tisch. „Darf ich dich etwas fragen?“, fragte das Mädchen. „Alles, was du willst.“ „Wo… wo bin ich hier? Was ist das alles?“ Sie zeigte auf den Baum. Die Fee lachte herzlich: „Ach, den meinst du. Das ist Ahorn, er ist mein bester Freund und gestattet mir, in ihm zu wohnen. Willst du dir meine Wohnung mal anschauen?“ Eifrig nickte das Mädchen, denn vielleicht ähnelte dieser Ahorn ja ihrem Freund Abor.

 

Also folgte sie der Fee durch die große, einladende Tür ins Innere des Baumes. Und was sie dort erblickte, ließ sie vor Verzückung lachen. Sehr wohnlich war es hier, eine Wendeltreppe führte mich ganz zur Krone und jedes einzelne Geschoss war liebevoll eingerichtet. Da sah sie einen gemütlichen alten Sessel, dort ein Klavier. Es war einfach nur herrlich anzuschauen und erfüllte sie mit großer Freude. Wie gerne würde auch sie so in ihrem Abor leben! Die Fee, die ihre Gedanken erriet, erklärte: „Ich beobachte dich schon länger und dein Freund scheint dich sehr zu mögen. Weißt du, wenn du das wirklich willst, ist es ein großer Schritt. Du wirst sozusagen eins mit dem Baum und kannst nicht mehr ohne ihn leben. Es schneidet dich vollkommen von deinem bisherigem Leben ab.“ Das Mädchen nickte bedächtig. „Du kannst jederzeit wiederkommen, wenn du es dir überlegt hast“, sagte die Fee. Also verabschiedete sich das Mädchen wieder von ihr und kehrte zurück in ihre Welt. Dort saß sie noch lange an den Stamm ihres Freundes gelehnt und erzählte ihm von diesem wundersamen Erlebnis.

 

Schließlich entschied sie sich, ihren Traum wahrzumachen und zu der Fee zu gehen, damit diese ihr zeigen konnte, wie sie wirklich zusammen mit dem Baum leben könnte. Sie wanderte den langen Weg unter dem Steg hinweg, bis zu dem Baum der Fee. Und sie wurde schon von der Fee erwartet. Sie stand einfach nur da und sagte: „Du hast dich also entschieden.“ Bekräftigend nickte das Mädchen.

 

Weit entfernt von diesem Ort bewegte sich eine dunkle Gestalt zu einem Berg hin. Sie hatte die Entscheidung gespürt und sie war darüber so gar nicht glücklich. Ihre feine Züge strafften sich zornig und ihr pechschwarzes Kleid flatterte ich aufkommenden Wind. Und plötzlich flatterten aus diesem wie von Zauberhand schwarze Vögel. Immer mehr vereinten sich am Himmel zu einer schwarzen Wolke und warteten auf den Befehl der dunklen Magierin. „Tötet sie“. Und mit tödlicher Perfektion flogen die Tiere auf ihr Ziel zu.

 

Plötzlich, als habe die Fee dieses Geschehen gespürt, sagte sie zu dem Mädchen in plötzlicher Eile: „Du.. du musst sofort zurück zu deinem Baum gehen! Nur er kann dich jetzt noch beschützen! Geh, nein, renn!“ Und damit schubste sie das inzwischen sehr ängstliche Mädchen zurück in den Tunnel. Sie wusste nicht, was die Fee in so große Angst versetzte, aber sie rannte trotzdem so schnell sie ihre Beine tragen konnten.

Bei ihrem Baum angekommen, rief sie gleich: „Abor, irgendetwas ganz Schlimmes kommt auf uns zu!“ Und da sah sie schon die schwarzen Vögel am Himmel immer näher kommen und gierig schreien hören. Ängstlich presste sie sich ganz nah an den Baum. Durch den Baum wehte plötzlich ein ungeheurer Wind und die Zweige und Äste begangen, bedrohlich zu schwanken. Gleichzeitig lösten sich plötzlich von den weißen Blüten des Baumes viele tausend weißer Vögel. Sie sangen eine wunderschöne Melodie und das Mädchen hob erstaunt den Kopf und betrachtete einfach nur das wundersame Schauspiel, was die da zu sehen bekam. Die schwarzen Vögel schrien, ja schienen fast zu fauchen wie Katzen. Doch die weißen Vögel schwebten nur in einer weißen Wolke, wie aus Engeln, zu ihnen und verschluckten sie einfach. Das ganze Böse, was gerade noch an jenem Ort war, war ganz einfach verschwunden. Noch immer völlig erstaunt und atemlos umarmte das Mädchen ihren Freund. „Danke, Abor! Du hast mich gerettet!“

 

Ein paar Tage später war es auch schon so weit und das Mädchen konnte feierlich ihre neue Wohnung beziehen. Sie lebte nun im Einklang mit dem Baum und jeden Abend, wenn sie einschlief, hörte sie nun das beruhigende Rauschen der Blätter.

Der Baum war glücklich und schwor sich, das Mädchen nun für immer zu beschützen.

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.

 

 

 

Auf den Bahnschienen

 

Es war ein milder Oktobertag, als ich sie kennenlernte. Der Wind fegte leicht durch ein paar Bäume am Wegesrand. Auf einem einfachen Fußweg setze ich vorsichtig einen Fuß vor den anderen. Meine Mutter hatte mir erzählt, dass sie und mein Vater sich trennen wollen und ich wollte einfach in Ruhe nachdenken. Ich hob gerade den Blick, da sah ich ein Mädchen auf den nahegelegenen Bahnschienen spazieren. Sie schien ganz entspannt, als ob sie sich überhaupt keiner Gefahr bewusst war. Zuerst verunsicherte und faszinierte mich dieser Anblick einfach nur und ich konnte sie nur anstarren. Doch nach ein paar Sekunden setzte mein Verstand wieder ein und ich rannte auf sie zu. „Hey!“, schrie ich. Sie drehte sich überrascht zu mir um. „Komm da weg! Jeden Moment könnte ein Zug kommen!“, rief ich und versuchte möglichst schnell bei ihr zu sein, um sie von den Gleisen zu zerren. Sie sah mir entgegen und lächelte, als sie sagte: „Du musst dir um mich keine Sorgen machen. Ich weiß, wann der nächste Zug kommt, das dauert noch mindestens eine Viertelstunde.“ Ich blieb vor den Gleisen stehen und sah sie misstrauisch an. Doch sie lachte jetzt sogar ein bisschen: „Nun schau mich nicht so an. Ich spaziere gerne auf Bahnschienen. Und in echter Gefahr war ich noch nie.“ Ein leichter Windzug fuhr durch ihr kastanienbraunes Haar. Zuerst dachte ich, sie wäre irre. Wie kann ein Mensch, der ganz bei Verstand ist, gerne auf Bahnschienen marschieren und sich dabei der Gefahr voll bewusst sein? Ich betrachtete sie genauer. Sie sah nicht so aus, als wäre sie verrückt. Ein schlichtes lila Shirt, das ihr etwa bis zu den Ellenbogen reichte und eine einfache Jeans. Die Füße steckten in halbhohen Stiefeln mit Fell. Vermutlich war sie etwas 15, ungefähr so alt wie ich. „Du solltest da weg kommen“, sagte ich leise und trocken. Doch sie lachte nur und ihr Lachen klang sehr ehrlich. „Komm du doch zu mir!“, forderte sie mich auf und streckte mir die Hand entgegen. Erschrocken sah ich ihr ins Gesicht und ich sah diese blauen, warmen, vertrauenswürdigen Augen. Also griff ich mit einem mulmigem Gefühl in der Magengegend nach ihrer Hand. Vorsichtig stieg ich über die Schiene hinweg und stand plötzlich dort, wo jeden Tag etliche Züge und ICEs mit irren Geschwindigkeiten lang rasten. Wie konnte man so etwas freiwillig machen? Das Mädchen betrachtete mich: „Du musst wirklich keine Angst zu haben! Ich habe so etwas schon oft gemacht, du musst nur wissen, wann die Züge kommen.“ Sie blinzelte einmal und sah mich dann wieder an. Ich war immer noch wie festgefroren und kam mir vor wie ein Kaninchen, das in Todesangst darauf wartet, das der Adler es mit seinen Krallen zerfetzt. „Komm, wir gehen ein Stück!“ Sie machte eine auffordernde Geste, ihr zu folgen. Und so spazierten wir also nebeneinander auf den Gleisen, als wäre es das Normalste auf der Welt. Meine Bewegungen waren immer noch sehr stockend und angespannt. Wieder ergriff das Mädchen die Initiative und fing an zu reden. „Ich bin Lilly. Und wie heißt du?“ „Ben“, stieß ich hervor. Lilly nickte und plauderte weiter: „Weißt du, ich mag es, an ungewöhnlichen Orten zu wandern. Das hat nichts mit Kick zu tun, aber es gibt einem ein unglaublich freies Gefühl, einfach etwas zu tun, was sich sonst niemand traut. Obwohl es ja nicht weiter schlimm ist, aber trotzdem fällst du damit total auf.“ Durch ihre Worte etwas verwirrt, schüttelte ich den Kopf: „Aber das ist doch Wahnsinn. Du müsstest dich nur verschauen und dann würdest du irgendwann tot hier liegen! Nur, um anders zu sein, als die anderen? Ist es das wert?“ Wieder lächelte sie und erklärte mit ruhiger, aber klarer Stimme: „Nun, ob es das wert ist, muss jeder selbst wissen. Aber ich finde, man sollte einem Menschen nicht verbieten, etwas zu tun, was er gerne tun möchte. Ich tue damit ja niemandem weh.“ Das klang einleuchtend und irgendwie hatte ich immer weniger das Gefühl, das Lilly eine Irre war. Was für eine ungewöhnliche Begegnung das doch war! Wir ging weiter und langsam entspannte ich mich und begann, auf Lillys Wissen zu vertrauen. Nun folgten wir den Schienen, die eine leichte Biegung nach rechts verfolgten. „Und… Wa sagt deine Familie hier zu?“ Undeutlich zeigte ich auf die Schienen. Da schien sie zum ersten Mal seit unserem Gespräch nicht mehr ganz so begeistert. „Sie wissen es nicht. Aber ich glaube, es wäre ihnen egal.“ Schockiert blickte ich sie an. Lilly senkte den Blick und sagte nur: „Naja, eigentlich will ich nicht darüber reden. Wie ist es bei dir?“ Und ich erzählte es Lilly, ich erzählte ihr einfach alles, was in den letzten Wochen passiert war und schüttete diesen fremdem Mädchen mein ganzes Herz aus. Unglaublich, doch irgendwie tat ich es und spürte instinktiv, dass all das bei ihr sicher war. Als ich schließlich endete, sah ich gebrochen in die Landschaft. Jedes weitere Wort wäre überflüssig, dass fühlte auch Lilly. Und wie selbstverständlich kam sie auf mich zu und umarmte mich. Ich ließ es geschehen. Eine kleine Träne suchte sich ihren Weg über Wange und ich atmete diesen fremden, und doch merkwürdig vertrauten Geruch ein. Sie roch nach Lavendel. Lange Zeit standen wir einfach so da, in unserer Umarmung und das tröstete mich ungemein. Als sie sich schließlich wieder von mir entfernte, sah ich in ihre Augen und sie sagte: „Das tut mir leid.“ Nicht mehr, aber es reichte völlig aus. Nicht irgendwelche Versprechungen, dass schon alles wieder gut werden würde. Und das sie eben das nicht getan hatte, dafür war ich ihr sehr dankbar. Sie streckte mir ihre Hand entgegen, ich nahm sie und zusammen spazierten wir weiter. Es hatte etwas Kindliches, wie wir uns da an den Händen hielten, als könnte wir uns damit gegenseitig vor dem Schicksal beschützen. Sehr schweigsam waren wir nun, bis sie irgendwann die Stille brach: „Ich weiß nicht, ob du noch weiter mitkommen willst. Wir sind schon ein ganzes Stück unterwegs und du solltest nach Hause gehen.“ Bedächtig blieb ich stehen und sah in diese warmen Augen. „Und du?“, fragte ich. Sie sah zur Seite: „Mich würde niemand vermissen. Dich schon.“ Ich wollte sie nicht weiter drängen und nickte nur. „Ich… das war eine wirklich schöne Erfahrung, Lilly. Vielleicht spazierst du ja mal wieder hier auf den Bahnschienen herum. Ich würde mich freuen, wenn wir uns wiedersähen.“ Denn das wünschte ich mir wirklich, es kam mir vor, als hätte ich nach langer Zeit endlich jemanden gefunden, der mich versteht. Doch ihrem Gesicht verzog sich zu einem traurigem Lächeln und sie sagte: „Ich glaube es nicht.“ Mein Herz verkrampfte sich.

Ich wollte gerade etwas erwidern, da spürte ich hinter mir einen starken Zugwind. Da wusste ich es: Lilly hatte sich vertan. Irgendetwas falsch berechnet. Aber ich drehte mich nicht um. Weglaufen war sinnlos, der Zug war viel zu schnell. Stattdessen sah ich ihr in die Augen, und fasste ihre Hand. Sie blickte mich an und ihre Augen zeigten keine Spur von Angst oder Verzweiflung. Es war nur Gewissheit. „Danke für diese wundervolle Begegnung“, flüsterte ich.

Und dann spürte ich etwas in meinem Rücken und der Schmerz explodierte. Ich brüllte und schrie aus Leibeskräften, so unerträglich waren meine Qualen. Und dann legte sich eine schwere, bleierne Bewusstlosigkeit über mich wie ein schwarzer Umhang und ich nahm dankend an…

 

 

Krieger mit Herz

Dieser Kurzgeschichte liegt dieselbe Grundidee zugrunde, wie auch bei "Kriegerin".

 

Ich sah ihn an und wusste es: Ich konnte ihn nicht töten. Er war doch noch ein Kind. "Du! Wie alt bist du?" Er reckte trotzig sein Kinn nach oben und sah mich aus harten, bernsteinfarbenen Augen an. "Dreizehn." "Dreizehn!", entfuhr es mir entsetzt. Oh Gott! Ich ließ meinen Blick über ihn schweifen. Er sah jung aus, aber nicht so jung. Sein Kampfgewand hat eine hellgraue Tönung und sein Messer lag blutverschmiert am Boden. Ob er damit wohl schon einmal jemanden umgebracht hatte, fragte ich mich beklommen. Schluckte. Ich hatte ihn überwältigt, aber er hatte sich kräftig zur Wehr gesetzt. Das Messer hatte er mir in den Arm gerammt. Zum Glück keine wirklich gefährliche Wunde. Er hatte gekämpft wie ein echter Krieger - immer sein Bestes geben, auch wenn die Lage hoffnungslos war.

Und jetzt stand er hier vor mir. "Ich bin ein Krieger. Ich habe gekämpft und verloren. Tut es endlich, bringt mich um!" Seine Worte erschreckten mich. Er war doch noch so klein, ging mir gerade bis zur Brust! Er war noch nicht bereit gewesen für so einen Angriff! Aber er hatte recht. Er gehört zur gegnerischen Seite. Ich wusste, wenn ich ihn jetzt nicht tötete, würde er zu einem Krieger heranwachsen, wie jener, welcher eben meine gute Freundin Lara umgebracht hatte. Später würden die Schmerzen dieses Verlustes kommen, aber momentan war ich noch im Kampf-Modus. "Verdammt, tötet mich!", schrie mich der Junge an. Aber ich konnte einfach keinen Hass für ihn empfinden, ich konnte ihn noch nicht mal kaltherzig töten. Ich empfand Mitleid. Ein Gefühl, das tödlich sein konnte. Aber ich konnte ihn nicht töten. Ich lächelte den Jungen traurig an. "Ich will Ihr Mitleid nicht! Tötet mich! ", brüllte er und stieß mir gegen die Brust. Ich zuckte zusammen und sah ihn an. Er wollte ein wahrhafter Krieger sein. Aber ich ließ meine Degen fallen und sie klirrten auf den kalten Mamorbogen. "Lauf weg!",flüsterte ich. Er starrte mich einen Moment lang an, dann begriff er. "Nein! Ich bin nicht feige!" Dieser Junge hatte Mut, so viel war sicher. Er fürchtete den Tod nicht. Aber er irrte sich in mir. Meine Hand würde es nicht sein, die seinen Tod besiegelte. "Dann wirst du mich töten müssen", beschloss ich. Dabei hob ich das blutige Messer auf und hielt es ihm hin. Erschrocken blickte er mich an und in seinen harten Augen zeigten sich Unsicherheit und Angst. Er hatte also doch noch nie einen Menschen getötet. Nun schüttelte er leicht den Kopf, bis daraus eine heftige Verneinung wurde. "Nein!", brachte er hervor, drehte sich um und rannte weg, so schnell ihn seine Beine trugen. Ich seufzte und ließ das Messer fallen. Hoffentlich rannte er weit weg, fort aus dieser grausamen Welt, die keine Gnade kannte.

 

 

Kriegerin

 

Eine Strähne aus ihrem schneeweißes Haar wehte durch den Wind. Ihre Degen schwangen durch die Luft. Ich schwitze. Sie kämpfte gut. Besser als ich erwartet hatte.

Ich hatte eigentlich nicht vorgehabt, heute noch einmal zu kämpfen. Denn ich hatte schon ganze drei Stunden das Fechten geübt. Das machten wir immer, um in Form zu bleiben. Doch als ich sie sah, konnte ich nicht widerstehen. Sie trug ein blaues Kampfgewand mit den - bei uns typischen - chinesischen Zeichen darauf. Die weißen Haare streng nach hinten gesteckt sah sie wahrlich wie eine Kriegerin aus. Und das war sie ja auch. Auch wenn ich das zunächst nicht so ganz glauben konnte. Ihr Gesicht war so fein und ihre Augenbraun waren perfekt geschwungen.

Sie lächelte, als sie die Unsicherheit in meinen Augen sah: „Ihr habt mich zum Kampf heraus gefordert.“ Ihre Stimme war melodisch und passte so gar nicht zu dem verbissenen Ausdruck auf ihrem Gesicht, mit dem sie kämpfte. Ich lächelte schief: „Das ist wahr.“ Ich hatte sie ansprechen müssen und ihr arroganter Tonfall hat mich nur dazu imponiert, sie herauszufordern.

Und weiter ging der Kampf. Doch bei ihr wirkte es wie ein Tanz. Sie duckte sich unter meinem Degen und ließ den Degen in ihrer linken Hand geschwind nach oben surren. Zum Glück hatte ich die Geistesgegenwärtigkeit, mit meinem Degen zu kontern. Das war knapp gewesen. Der Degen in meiner anderen Hand sirrte, als ich ihn ihr entgegen schleuderte. Doch sie duckte sich geschwind wie eine Katze darunter hinweg und stand mit einer halben Drehung plötzlich in meinem Rücken. Aber sie war kein Kätzchen, sie war ein Tiger. So schnell es mir möglich war, wirbelte ich herum. Aber zu spät, die traf mich mit ihrer stumpfen Klinge an der Seite. Ich keuchte und sah ihr ins Gesicht. Ihre eisblauen Augen funkelten siegessicher. „Ihr könntet aufgeben“, schlug sie vor, während sie beide Degen nach oben schwang. Ich kreuzte meine Degen und fing ihre ab. Es stimmte. Es wäre beileibe keine Schande, wenn ich mich geschlagen gab. Es war immerhin kein echter Kampf, nur ein kleiner Machtkampf zwischen zwei Kriegern, nur eine Übung. Und ich hatte davor schon drei Stunden trainiert. Aber diese Bloße wollte ich mir vor ihr nicht geben. Sie hat etwas an sich…

Ich deutete einen Stoß nach rechts an, um mich dann meine Waffe nach links zu fahren. Doch sie hatte es vorhergesehen und konterte zielsicher. Dann tänzelte sie noch ein paar Schritte nach links und es folgte ein schneller Schlagabtausch, in dem wir beide heftig ins Schwitzen kamen. Aber aufgeben? Das sah ich gar nicht als Alternative. Ihre Augen folgten meinen Bewegungen und ich folgte den ihren. Ein Schritt nach vorne, meine Degen flirrte durch die Luft, doch er wurde wieder abgefangen. Sie drehte mir meinen Degen mit ihrem geschickt aus der Hand, sodass er klirrend auf dem Boden landete, fing meinen anderen Degen ab und hielt dagegen. Und plötzlich spürte ich kaltes Metall an meiner Haut, als sie mir ihre Klinge vor den Hals hielt.

Stolz reckte sie das Kinn und sah mir direkt in die Augen. Was für eine Frau… Langsam ließ ich die andern Hand sinken und auch der zweite Degen fiel zu Boden. Ergeben gestand ich es mir ein: Sie hatte mich besiegt. Sie lächelte und ließ ihren Degen sinken: „Ihr solltet vorsichtiger sein, mit wem ihr euch anlegt.“ Ein Schauer fuhr durch mich. Nur wenige schafften es, mich zu besiegen. Ich war mir so sicher gewesen. Ehrlich beeindruckt brachte ich hervor: „Ihr… seid eine wahrhafte Kriegerin.“ Sie lächelte schwach und packte ihre Degen ein. „Danke. Ich habe lange trainiert.“ Und schon wand sie sich zum Gehen: „Es war mir eine Ehre, meine Klingen mit euren gekreuzt zu haben, doch nun muss ich gehen.“ Ich nickte leicht und stand vermutlich immer noch unter Schock. „Lebt wohl.“, sagte sie noch und dann lief sie los, weg von mir. Da erst wurde mir bewusst, dass ich sie nicht gefragt hatte, woher sie kam. „Wartet!“, schrie ich, „Werden wir uns wieder sehen?“ Sie drehte sich noch einmal um, lächelte und rannte schließlich weiter. Ich runzelte die Stirn und rannte ihr nach doch vergebens: Sie war viel schneller als ich. Mit pochendem Herzschlag blieb ich stehen. Eine wahrhaftige Kriegerin…

 

 

 

Ein abenteuerlicher Ausflug

Mal wieder Fantasy, mein bevorzugtes Genre. ;) Wenn euch dieser Text gefällt, würde ich mir überlegen, ihn weiter zu schreiben. Ich hätte da nämlich schon eine vage Buchidee...

 

Ich raste durch die Strömung. „Du überholst mich nicht!“, rief ich lachend, während ich mich zu Lucia umdrehte. Lucia - meine beste Freundin. Mit ihr hatte ich schon so viel erlebt. Wir hatten schon so manche Abenteuer überstanden und Späße getrieben. Mit Lucia konnte man immer Spaß haben. Lucia hieß übrigens so viel wie „Die Strahlende“.

Und nun strahlte sie schon wieder. Obwohl sie hinten lag, lachte sie: „Ich überhol dich noch!“. Wieder lachte ich: „Wovon träumst du nachts?“ Ich schlug schneller mit meinem geschuppten, langen Schwanz. Die Strömung trieb mich vorwärts. Es war ein tolles Gefühl, so mit der Strömung zu schwimmen. Ja, ich fand das Leben als Meerjungfrau wirklich herrlich.

Jeden Tag erforschten Lucia und ich neue Gegenden der aufregenden Unterwasserwelt. Die Menschen, die bei der Bucht lebten, bekamen wir nie zu Gesicht. Und ich war auch glücklich so. Ich schaute wieder zurück. Und schon schoss Lucia an mir vorbei. „Gewonnen!“, jubelte sie. Ich lächelte. „Nächstes Mal schlag ich dich.“, sagte ich. Ich betrachtete Lucia. Sie sah wirklich schön aus. Ihr schuppenbesetzter Schwanz schlug immerzu vor und zurück. Er war wunderschön bronzefarben. Ich blickte auf meinen Fischschwanz. Er war genauso. Wie bei Lucia reichten die Schuppen bis zur Hüfte. Meine Brust war mit einer Art BH aus Schuppen, wie ihr es nennen würdet, bedeckt. Mein Bauch und die Arme waren frei. Die Haut schimmerte leicht.

„Hey, träumst du?“, rief Lucia. Ich schreckte auf. Dann lachte ich: „Ich habe mir nur überlegt, wie schön wir aussehen müssen.“ Lucia lachte: „Selbstverliebt?“ „Nein. Ich habe nur noch nie mein Spiegelbild gesehen. Ich habe gehört, die Menschen sollen solche Spiegel haben.“ Natürlich hatte ich noch nie einen gesehen. Lucia nickte. „Aber ich kann dir versichern, dein Gesicht ist wunderschön. Ich hab’s dir doch schon oft gesagt: Feine Nase, blaue Augen, volle Lippen, goldenes Haar, ... Aurelia, du bist wunderschön.“ Sie grinste mich schief an. Aurelia. So hieß ich. Es hieß die Goldene und meine Mutter hatte mich so genannt. „Die Schönheit hast du von deiner Mutter geerbt.“, meinte Lucia. Vielleicht hatte sie Recht. Meine Mutter sah wirklich schön aus. Ich bewunderte immerzu ihr lockiges, goldenes Haar. Mal steckte sie es hoch, mal fielen die Locken weich auf die Schultern. Meine Mutter meinte, ich hätte die gleichen gelockten goldenen Haare und ich müsste nur etwas daraus machen. Aber ich liebte mein Haar, so wie es war. Es fiel mir wild auf die Schultern oder flog durch das Wasser.

„Trotzdem“, erwiderte ich, „würde ich nur zu gern ein Mal mein Spiegelbild sehen.“ Lucia schüttelte den Kopf. „Ich bin glücklich, so wie es gerade ist. Lass uns lieber zum Korallenriff schwimmen!“ Das war eine tolle Idee. Lucia wusste, ich liebte das Korallenriff. „Na dann los. Wer als erstes da ist!“, rief ich und schwamm los.

 

Angekommen schwammen wir gemeinsam über das Korallenriff. Langsam darüber hinweg zu gleiten, war wunderschön. Man sah so viele verschiedene Lebewesen. Auch die Korallen selbst sahen echt beeindruckend aus. Mir schwamm ein kleiner Clownfisch direkt vor der Nase entlang. Der war putzig! Ich lächelte und berührte ihn leicht am Bauch. Man bekam selten das Glück, einem so zutraulichem Fisch zu begegnen. Ich schaute hinüber zu Lucia. Sie sah sich gerade eine wunderschöne Pflanze an. „Lucia!“, rief ich, „Schau hier!“ Sie sah hinüber und staunte. Langsam, um den Fisch nicht zu verschrecken, schwamm sie heran. „Wie niedlich!“, flüsterte sie. Ich nickte und streichelte ihm noch einmal über die Seite.

 

„Wir hatten wirklich wahnsinnig Glück, so was zu erleben!“, schwärmte Lucia später. Ich nickte fröhlich. Gerade schwammen wir wieder zurück nach Hause. „Der Tag war echt toll!“, meinte ich. „Lass uns noch einmal kurz Luft holen.“, meinte Lucia, „Dann muss ich später nicht noch einmal hoch.“ „Alles klar.“, sagte ich.

Das ist so: Wir Meerjungfrauen leben zwar im Wasser, doch ab und zu müssen wir an die Wasseroberfläche und Luft holen, wie Delfine. Aber für uns reicht ein Atemzug für etwa einen Tag. Wenn nötig, sogar bis zu drei Tage.

Also schlug ich stark mit der Schwanzflosse, um an die Wasseroberfläche zu gelangen. Mit den Armen erreichte ich sie zuerst und durchbrach das Wasser. Es war ein schönes Gefühl. Tief sog ich die frische Luft ein. Ein leichter Windzug durchfuhr mein Haar. Neben mir tauchte gerade Lucia auf. Ihre Augen leuchteten. „Ich verstehe gar nicht, warum alle sagen, über Wasser sei es gefährlich. Es ist hier immer so aufregend!“ Ich nickte zustimmend.

Der Stamm des ewigen Wassers, dem auch wir angehörten, vermied lange Aufenthalte über Wasser. Es gab noch andere Meerjungfrauen-Stämme, aber alle waren unterschiedlich. Es sollte außerdem auch allein lebende Meerjungfrauen geben, doch die nannten sich Nixen oder Sirenen. Einige verführten angeblich Seeleute mit betörendem Gesang. Ich schauderte. Das waren alles nur Geschichten. Ich hatte nie eine Nixe gesehen. Und das war auch gut so. Ich war mit meinem Leben total zufrieden, so wie es gerade war.

Lucia wurde neben mir unruhig - wir waren es nicht gewöhnt, so lange über dem Wasser zu sein. „Wollen wir wieder runter?“, fragte ich. Aber Lucia meinte: „Wollen wir nicht mal in die Bucht schwimmen? Bis Sonnenuntergang ist noch etwas Zeit.“ Ich zögerte. In der Bucht waren Lucia und ich bisher nur ein Mal. Damals hatten wir Muscheln für ein Fest gesammelt. In der Bucht gab es wirklich schöne Stücke. Aber dann war das fast furchtbar schief gegangen...

„Hilfe!“, schrie Lucia. Ich sah mich suchend um - und bremste dann plötzlich ab. Lucia saß auf dem Strand fest! Sie musste zu weit ans Ufer geschwommen sein. Und dann wurde man leicht von der Brandung an den Strand gespült. Und waren wir im Wasser noch so schnell und gelenkig, auf dem Land glichen wir Fischen ohne Wasser: Hilflos. Lucia zuckte und schnappte verzweifelt nach Luft. Aber es war keine Luft, die sie brauchte. Eine Meerjungfrau braucht genug Wasser zum Überleben, sonst trocknet sie aus. Wie Fische oder Delfine. Ich versuchte, ruhig zu bleiben. Etwa eine Viertelstunde hielt es eine Meerjungfrau an Land aus. Ich konnte Lucia nicht helfen, sonst würde ich nur auch an Land gespült. Ich rief Lucia zu: „Halt durch! Ich hole Hilfe!“ Und dann schwamm ich so schnell ich konnte nach Hause.

Damals hatten wir Lucia schließlich gemeinsam gerettet. Ich schauderte. Es war wirklich gefährlich gewesen.

„Was ist jetzt? Hast du etwa Angst?“, fragte Lucia. „Ich weiß nicht recht.“, gab ich zu. „Ach komm, es wird schon nichts passieren. Ich bin auch ganz vorsichtig. Um diese Zeit ist es bestimmt wunderschön in der Bucht.“ Widerwillig folgte ich ihr schließlich.

 

In der Bucht angekommen, entdeckte Lucia eine kleine Felsenansammlung unweit vom Ufer entfernt. Ich zögerte, aber Lucia schwamm sorgenlos vor. Also schwamm ich hinterher. Ich würde sie hier nicht alleine lassen. „Wir sollten wirklich wieder untertauchen.“, sagte ich. „Ach, hab keine Angst. Die Luft ist so schön frisch und der Sonnenuntergang sieht hier bestimmt wunderschön aus.“ Sie hatte natürlich recht. Aber wenn nun etwas passierte? Vorsichtig schwamm ich weiter. Lucia steuerte einen Felsen an, der unter wie auch über Wasser flach bergauf führte. Dort setzte sich Lucia hin. So, dass ihr Schwanz im Wasser war und ihr Oberkörper in der Luft. Ich setzte mich zu ihr. „Ist es nicht toll hier?“ Ich nickte unwohl. Ich hatte kein gutes Gefühl bei dieser Sache. „Da, sieh nur!“, rief Lucia nun aufgeregt. Ich schaute in die Richtung, in die sie zeigte. Die Sonne berührte gerade das Meer. Es sah wirklich beeindruckend und einzigartig aus. Kurz vergaß ich meine Bedenken und betrachte einfach nur die wunderschöne Kulisse. „Der Anblick ist wunderschön.“, flüsterte ich. Lucia nickte.

Dann, plötzlich, hörte ich gedämpfte Schritte. Ich drehte mich um. Zwei Männer gingen am Strand entlang. Nun hob einer den Blick - und sah mir genau ins Gesicht. „Da, sieh nur, eine Meerjungfrau!“, rief er. Lucia schreckte hoch. Dann sahen wir uns entsetzt ins Gesicht. Waren die Männer gefährlich? Der andere rief nun: „Heiliger Klabautermann, die sieht man hier aber echt selten. Los komm, näher ran!“ Die Männer rannten immer näher zu uns. „Lucia, ins Wasser!“, rief ich angsterfüllt. Lucia tauchte mit einem Köper unter Wasser. Ich sah mich noch einmal um - die Männer waren nun ganz nah - und sprang dann Lucia hinterher. Unsere Schwanzflossen schlugen, so schnell sie konnten. So schnell wie möglich weg hier!

 

Viel Später hielten wir an. Lucia schnappte erschöpft nach Luft. Auch ich war ganz außer Atem. „Ich hab dir gesagt,“, keuchte ich, „dass das keine gute Idee ist“. Lucia nickte verschrocken und erwiderte: „Sollen wir es erzählen?“ Ich überlegte: „Könnte es denn zu einer Gefahr werden?“ Lucia wirkte bedrückt: „Das ist alles meine Schuld.“ „Aber nicht doch.“, versuchte ich sie zutrösten, „Lass uns nun lieber schnell nach Hause schwimmen“. Und so schwammen wir schließlich zurück und erzählten nichts von unserem abenteuerlichen Ausflug.

 

 

 

Bei der Sternenkonferenz

Ich bin sehr gespannt, wie ihr diesen Text von mir aufnehmt, er ist schließlich seehr anders, als das, was ich sonst so von mir gebe. Fragt mich nicht, wie ich auf diese Idee gekommen bin, ich weiß es selbst nicht.

 

Lichtschein war unruhig. Das war so nicht richtig. Es musste eine andere Lösung geben. Vielleicht könnte sie die Entscheidung noch ein wenig heraus zögern.

Wärmesprenkel schwebte zu ihr und redete auf sie ein: "Licht, jetzt hör doch mal auf, so herum zuwuseln. Du machst alle ganz nervös. Es wird schon alles gut gehen." Licht, ja das war sie, aber ihr ganzer Name war Lichtschein. Licht wendete sich zu Wärmesprenkel hin. Wärme war zu allen immer sehr freundlich und warmherzig. Und sie war die Ruhe in Person. Sehen konnte Licht sie ja nicht, aber in ihrer Vorstellung war sie eine runde, warme Kugel. Bei dem Gedanken strahlte sie.

"Jetzt hör mal auf so zu funkeln!", wurde sie von Energiefunke angefaucht. Sie spürte, wie sie von brodelnder Energie getroffen wurde. Funke konnte ab und zu etwas... impulsiv sein. Aber er meinte es nicht böse, ihm war vermutlich nur langweilig und da konnte er von jeder Kleinigkeit angestachelt werden. "Tut mir leid, Funke. Aber du kennst mich ja. Ich weiß nicht, ob das, was wir hier tun, richtig ist", gestand sie. "Willst du jetzt etwa noch die Seite wechseln?!", sagte Funke wütend. Erschrocken blitze Licht auf. Aber bevor sie etwas erwidern konnte, hüpfte leuchtendes Leben zu ihnen. Er erklärte: "Licht könnte gar nicht die Seiten wechseln. Sie ist, was sie ist, wie wir alle. Hab ein wenig Verständnis, Funke, sie ist die jüngste von uns vieren." Erstaunt sah Licht Leben an. Er war vermutlich der Verrückteste von ihnen allen. Leben war nun mal (ja, kaum zu glauben) sehr lebhaft. Er konnte schnell mal seine Meinung ändern. Mal war er verspielt wie sonst was, dann gab er sich weise und verständnisvoll. Aber Licht war erleichtert, dass Leben ihr zur Hilfe kam. Denn es stimmte - Sie war wirklich die Jüngste. Leben, Energie, Wärme - Die waren alle vor ihr da gewesen. Aber jetzt waren sie alle hier.

Bevor die Situation eskalieren konnte, sagte Wärme: "Beruhigt euch doch alle, wir müssen zusammen halten! ". Unwillkürlich wurde Lichts Schein noch etwas heller, als sie sich ihre Freunde alle nebeneinander vorstellte: Wärme, wie eine warme Kugel; Energie, wie eine brodelnde, wirbelnde Masse; und zuletzt Leben, der wahrscheinlich auf und ab hüpfend immer neue Formen annahm. Sie waren so unterschiedlich und doch fühlte sie sich mit ihnen verbunden. Am Ende waren sie doch alle gleich: Sie waren Sterne. Sterne, von einer ganz anderer Welt, auf einer Mission.

Ihre Reise führte sie zur Sternenkonferenz. Denn sie sollten einen uralten Streit klären: Der Streit zwischen den großen Gegensätzen aller Welten. Kälte und Hitze, Licht und Schatten, Sommer und Winter, Tag und Nacht - wie man es auch nennen wollte. Nun, jetzt waren Licht und ihre Freunde da.

Doch es waren nicht alle so unbeschadet angekommen: Von der anderen Seite waren nur zwei Sterne an ihr Ziel gelangt. Sachte streckte Licht ihren Schein aus. Sie fühlte die beiden feindlichen Sterne. Licht erschauderte. Sie hatten sich ihnen vorgestellt, sie hießen eisige Stille und Kältefrost. Und genau das strahlten sie aus - Eis und Kälte. Niemals könnte Licht so leben! Wärme schmiegte sich beruhigend an sie, als sie die Angst ihrer Freundin bemerkte. Auch Funke drängte sich zu ihnen. Er mochte ja etwas schwierig sein, aber er würde nie zulassen, dass jemand seinen Freunden etwas tat.

 

 

 

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Kommentare: 16
  • #1

    Carl (Mittwoch, 31 Juli 2013 17:51)

    Also, "Ein abenteuerlicher Ausflug" gefällt mir grundsätzlich ganz gut... Ist aber eher ein Kinderbuch, oder? ;) Idee gab es zwar schon (man erinnere an Arielle xD), find ich aber nicht weiter schlimm; wir sind auch nur Menschen!
    Mehr sag ich dazu auch nicht; war jetzt nicht so hundertprozentig meine Geschichte... ;)
    "Bei der Sternenkonferenz" schon eher. Im ersten Moment erinnerte es mich total an Warrior Cats - bedingt durch die Namen, die sich aus zwei Nomen zusammensetzen - das Gefühl kam vor allem am Ende nochmal auf ("Gefährten"). Ehrlich gesagt würde ich die Namen lieber ändern... Du kannst ja "Partner" oder "Freunde" sagen (wobei mich "Gefährten" jetzt auch nicht mordsmäßig stört xD) und statt "Lichtschein" vielleicht einfach nur "Licht" oder so...
    Okay, genug der Kritik - die Idee gefällt mir recht gut, auch, wenn man dazu ja noch nicht sonderlich viel sagen kann, ist ja nur eine Kurzgeschichte... Ich würde auf jeden Fall gerne mehr lesen und vor allem einige Fragen beantwortet haben - gewünschter Effekt wurde erzielt, würde ich sagen (:
    Zu deinem Schreibstil muss ich ja gar nichts sagen :)
    Tja, ich glaub, jetzt hab ich alles abgegrast - insgesamt sind beide Geschichten gut auf ihre Art und Weise, aber nicht deine besten Werke, finde ich - und vielleicht eher für etwas Jüngere gedacht :D
    GLG
    Deine Carl

  • #2

    Lini (Mittwoch, 31 Juli 2013 19:35)

    Vielen Dank für deine Ehrlichkeit, Carl! Mir ist die Ähnlichkeit zu Arielle bei "Ein abenteuerlicher Ausflug" schon irgendwie bewusst gewesen. Ich spiele momentan auch mit dem Gedanken eine moderne Fassung davon zu schreiben, vielleicht verfasse ich darüber mal eine Buchidee. ;)
    An Warrior Cats habe ich bei dem zweiten Text ehrlich gesagt gar nicht gedacht, aber jetzt wo du es sagst, bemerke ich es auch. Aber ich finde die Namen doch so schön... :/ Tja, mal schauen, wa sich daraus mache...
    Trotzdem vielen Dank auch für ein wenig Lob. :) Es kann schon sein, dass diese Geschichten nun eher für jüngere Leser interessant sind, aber ich kann ja auch ruhig mal etwas in Richtung Kinderbuch schreiben. ;)
    LG Lini

  • #3

    Raven's Feather (Sonntag, 04 August 2013 00:59)

    Hey =) Nach deinem netten GB-Eintrag musste ich auch hier mal vorbeischauen. Wollte eigentlich nur reinschauen, aber dein Schreibstil hat mich festgehalten, also hab ich mir mal alle drei Texte zurchgelesen.
    Ich muss Carl zustimmen, die Meerjungfrauengeschichte wirkt ein wenig wie ein Kinderbuch, 'die Kriegerin' dafür gar nicht und das finde ich bewundernswert: Kinderbücher und Bücher für ältere schreiben zu können ist keine leichte Sache ;D
    Bei der 'Sternenkonferenz' musste ich anfangs auch an Warrior Cats denken, allerdings wäre ich absolut dagegen, die Namen abzuändern, weil ich sie wirklich schön finde ;D Und es kommt schließlich raus, dass die vier keineswegs Katzen sind..
    Irgendwie wird mein Kommentar gerade etwas unübersichtlich, aber wirkliche Kritik hab ich nicht und deine Geschichten, besonders auch dein Schreibstil, gefallen mir wirklich gut.

    Liebe Grüße, Anika

  • #4

    Lini (Sonntag, 04 August 2013 12:46)

    Huhu Anika! :D Wow, mit so viel Lob hätte ich gar nicht mehr gerechnet! Vielen Dank! Zu der Sternenkonferenz kann ich nur sagen, dass ich die Namen auch so schön finde und möchte sie eigentlich auch ungern ändern. ;)
    LG Lini

  • #5

    Veri (Mittwoch, 07 August 2013 18:12)

    Hey,
    dann sag ich mal zu deinem Text "Ein einfaches Bild, das mich zu diversen Spekulationen anregt".
    Ich liiiiiiiiiiiiebe ihn!!!!!!!!!!!!
    Du hast das Bild so toll beschrieben, ich meinte fast, ich hätte es selbst in der Hand! Wo hast du es denn gesehen?
    Ich könnte ein einfaches Bild nie so ausfürlich erleutern wie du. RESPEKT!!!
    Dieser Text wird vermutlich mein Liebling auf deiner Webseite. Vielleicht eröffnest du eine Rubrik nur mit Bildbeschreibungen ... ? Veri tust du damit einen Gefallen :D
    Übrigens hast du die Kurzgeschichte (?) doppelt in den News verlinkt ;)

  • #6

    Veri (Mittwoch, 07 August 2013 18:13)

    Oh, und das neue Titelbild gefällt mir besser als das alte :)

  • #7

    Lini (Mittwoch, 07 August 2013 23:40)

    Hallo Veri!
    Vielen, vielen Dank! :D Da freue ich mich jetzt echt riesig, dass es dir gefällt!
    Ich habe auf meinem Handy so eine App für Hintergründe, da ist mir das Bild ins Auge gefallen. ;) Ich überlege auch, mal eine (zumindest Unter-) Kategorie für Bildbeschreibungen zu eröffnen... Mal schauen... Die Kurzgeschichte steht da eigentlich nicht doppelt, die andere Kurzgeschichte ("Krieger mit Herz") ist nur direkt davor erschienen. ;) Freut mich auch, dass das neue Titelbild gut ankommt!
    Ganz liebe Grüße Lini :)

  • #8

    Greta (Samstag, 17 August 2013)

    Das neue Gedicht "Die Natur verstummt" hast du wirklich schön geschrieben. Gefällt mir wirklich gut, da der Inhalt auch einfach nur wahr ist :) Alles in allem also gut gelungen :)

  • #9

    sophia (Sonntag, 18 August 2013 14:28)

    ich hab vor kurzem ein buch geschrieben,das ist ber noch nicht veröffendlicht

  • #10

    Lini (Sonntag, 18 August 2013 18:47)

    Hallo ihr beiden!
    @ Greta: Vielen lieben Dank, das bedeutet mir viel, vorallem, weil es das erste Mal ist, dass ich versucht habe, ein Gedicht zu schreiben. ;)
    @ Sophia: Interessant, hast du eigentlich auch eine eigene Seite?
    LG Lini

  • #11

    Greta (Sonntag, 18 August 2013 20:13)

    Ich hoffe du schreibst öfter mal Gedichte! :)

  • #12

    Lini (Montag, 19 August 2013 19:13)

    Wenn ich eine neue Idee habe, sehr gerne! :) Vielleicht richte ich irgendwann auch mal eine eigene Kategorie für Gedichte ein, aber momentan würde sich das ja nicht lohnen. ;)

  • #13

    Linn (Montag, 09 September 2013 19:44)

    Hi:)
    Du hast wirklich einen sehr schönen schreibstil*-*
    Die geschichten sins alle sehr schön! vorallem gefallen mir die Sternenkonferenz (was mich am anfang auch ein wenig an Warrior cats erinnert hat, aber ich würde die namen so lassen, da die wirklich schön sind) Kriegerin und Krieger mit Herz sind tolle ideen, die du super umgesetzt hast:)
    Kritik hab ich eigentlich keine...
    LG Linn:)

  • #14

    Veri (Montag, 07 Oktober 2013 09:56)

    Der neue Text ist dir wirklich gut gelungen! Er ist spannend und ich habe die ganze Zeit mitgefiebert ob er (?) nun springt oder nicht. Du hast wirklich Talent!

  • #15

    Lini (Sonntag, 13 Oktober 2013 18:38)

    Danke ihr beiden, ihr seid so lieb zu mir... *-*
    @ Veri: Ich lasse offen, ob es ein Er oder eine Sie ist... ;)

  • #16

    Veri (Donnerstag, 07 August 2014 16:44)

    Deine neue Geschichte hat mich mitgerissen - wortwörtlich! Und dieses Lied dazu ... einfach unbeschreiblich.
    Du hast genau die richtigen Begriffe gefunden, um dich auszudrücken. Daumen hoch! :D